Zufällig bin ich vor meinem Pariswochenende auf das Louis Vuitton Museum gestoßen. Davon hatte ich bisher nicht gehört und da ich diesmal noch Zeit hatte, habe ich ein Zeitfenster gebucht. Zentral gelegen zwischen Pont Neuf und Samaritaine, da kommt man immer irgendwann vorbei. Das Buchen des Fensters wäre nicht nötig gewesen, man kann auch noch direkt vor dem Hereingehen den Code bekommen. Es war angenehm leer - ganz im Gegensatz zu allen anderen Orten an diesem Sonntag in Paris. Ich hätte sogar an einer Führung (leider auf Französisch, aber bestimmt sehr interessant) teilnehmen können, alles gratis. Im Prinzip handelt es sich um eine abgespeckte und kleinere Version der Galerie Dior. Aber nicht uninteressant. Und für mich persönlich angenehmer, weil ich die Galerie Dior als überfrachtet erlebt habe, hier hingegen weniger Exponate, dennoch fokussiert auf das Wichtige.
Es beginnt mit einer Reise in die Vergangenheit. Alte Taschen/Koffer neben neuen, die teilweise die absolut gleiche Form haben. Oder aus dem gleichen Leder hergestellt sind, unten alte Koffer, neue Handtasche mit Tieren bedruckt. Ich lerne, dass eine Marke doch ihren Traditionen irgendwo treu bleibt, das war ja auch bei Dior ähnlich.
Ich habe mich beim Besuch der Ausstellung an meine Tasche von damals erinnert, mir sagte die Marke Louis Vuitton sicher nichts, ich kam vom Land, aber da ziemlich viele Leute diese auffällige Tasche mit Logoprint trugen, wollte ich vermutlich dazu gehören. Ich war damals Au-pair in Italien. Zurück in Deutschland kannte ich ein "reiches" Mädchen mit einer Louis Vuitton Tasche (vermutlich echt, aber den Unterschied habe ich nicht gesehen, für Marken habe ich mich nicht interessiert, ich glaube, es hat sich niemand dafür interessiert).
Und seit irgendwann, ich weiß nicht genau seit wann, hat es mit sozialen Medien zu tun, hat es damit zu tun, dass das verfügbare Einkommen gestiegen ist, ist es in bestimmten Kreisen wichtig, die richtige Marke zu haben. Als meine Tochter im Kindergarten war, haben Bekannte, deren Kinder in Westend Schulen gingen, das thematisiert. Abercrombie&Fitch, Hollister, Hilfiger, Nike, später Apple usw. Wer nicht die richtige Marke trug, war ein Außenseiter. Die Eltern haben bereitwillig bezahlt. Oder geschimpft und bedauert, dass ihr Kind nicht in einem anderen Stadtbezirk zur Schule geht. Irgendwann war es an allen Schulen gleich. Die jungen Leute (und die danach geborenen) sind inzwischen zwischen 20 und 30 kaufen Marken. Das ist die Generation, die den Fanshop von Louis Vuitton bevölkerte.
Warum ist das so? Erinnert sich noch jemand an die No Logo Bewegung und das Buch von Naomi Klein, Anfang der Nullerjahre war das ungefähr. Geändert hat sich dadurch leider irgendwie nichts, im Gegenteil. Ein wie ich finde, sehr interessantes Aufgabenfeld für Soziologen. Hier ein persönlich geschriebener Artikel dazu, kann ich voll und ganz so unterschreiben. Habe ansonsten im Netz wenig Kritisches gefunden.
Was hat das Ganze jetzt mit Nähen zu tun, schließlich ist das hier ein Nähblog? In letzter Zeit werden mir bei Instagram immer wieder Stoffverkäufer hochgespielt, die gezielt Werbung mit Markenstoffen machen. Deadstock, das ist gut für das Gewissen, weil Müllvermeidung. Aber der Name und ggf. auch noch ein Logoprint auf dem Stoff oder sogar der ganze Stoff mit Logoprint übersät, hmmm, das Geschäft scheint zu boomen. Bei einer dieser Verkäuferinnen wird immer wieder der Name der Marke hervorgehoben, es geht kaum um die Stoffzusammensetzung, Qualität, Gewicht, ist es jetzt bei uns, die wir nähen, auch schon so, dass nicht unser selbst genähtes Kleidungsstück wichtig ist, sondern wir es mit einem Logo von einer der "angesagten" Marken schmücken müssen. Ich finde, das ist eine traurige Entwicklung. Sind wir, die wir nähen, nicht eigentlich unsere eigenen Designer, indem wir Stoff, Schnitt, Farbe miteinander auf einzigartige Weise verbinden. Wir haben es doch nicht nötig mit Dior, Gucci, Fendi zu konkurrieren.
Ich habe bei The Fabric Sales auch schon Markenstoffe gekauft, aber dort erfahre ich gezielt, um was für einen Stoff es sich handelt, anhand des Gewichts und der Zusammensetzung bekomme ich einen Eindruck, letztendlich ist die Qualität entscheidend. Die ist ziemlich gut (auch wenn die Farben am Bildschirm abweichen können), auch bei den Stoffen, deren Marke nicht benannt ist. Bei The Fabric Sales sind die Preise absolut niedrig für das, was ich erhalte (ähnlich auch im Outlet von Annette Görtz oder Dorothee Schumacher und anderen Herstellern), Deadstock ist eigentlich Abfall. Der Stoffschrottplatz in Münster ist dafür ein Beispiel, auch dort finden sich Markenstoffe. Der Inhaber ist ein Verwerter. Bei den Stoffhändlerinnen in Instagram wird - so scheint mir - ziemlich aufgeschlagen, wenn es sich um Haute Couture insbesondere mit Logo handelt (dabei werden auch Stoffe gefälscht, insbesondere die mit Logo, der italienische Zoll beschlagnahmt immer wieder Fälschungen, hier 2021). Trotzdem wird gekauft wie verrückt. Wir sind doch empfänglicher für Statussymbole als wir denken. Und wir wollen das, was die anderen haben.
Mit diesen Gedanken und einigen wenigen Stoffen im Gepäck endete mein Kurzwochenende in Paris. Da ist schon der Gare de l'Est.
Kommentare willkommen.
Viele Grüße, Anja
Logostoffe kann man auch ganz neutral als geometrisch gemusterte Stoffe betrachten. Z. B. ähnelt das Muster eines derzeit von Givenchy stammenden Stoffes einem Stoff mit Mäandermuster, den ich vor einigen Jahren vernähte. Aber wer kennt schon Givenchy? Sicher nicht der Pulk, der samstags vorm LV-Laden Schlange steht in Karojacken, deren Muster an keiner Naht übereinstimmt. LV-Taschen sind in meinen Augen eher Armutszeugnis denn Statussymbol.
AntwortenLöschenLG Sonja
Ich kann dir nur zustimmen, wobei ich gedacht hätte, dass Givenchy schon sehr bekannt ist, aber bei dem Pulk vor LV mglw. nicht, lg Anja
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