Montag, 30. Juni 2025

Milanfrocktails 2025

Endlich kann ich meinen Bericht über die Milanfrocktails schreiben. Ich habe noch auf die Fotos gewartet, die Andrea Costantini (siehe Foto unten) auf der Party gemacht hat. Ich selbst habe quasi keine Bilder gemacht.

Um die 40 bis 50 nähende Frauen, einige nähende Männer und wenige begleitende Männer haben sich Mitte Juni in Mailand getroffen. Ilaria, eine Italienerin, die in London lebt, hat das Treffen organisiert, aber natürlich hatte sie Helfer:innen vor Ort. Frock ist ein festliches Kleid, Ausgehkleidung - Cocktail ist klar, beides zusammen ergibt Frocktail. Das Treffen war international, die meisten Teilnehmer:innen kamen aus Großbritannien, einige aus Frankreich, Spanien, Griechenland, Niederlande, Italien, Schweiz, Deutschland und sogar den USA. Viele kannten sich von Frocktails aus Edinburgh, Plymouth, Aberystwyth ...., einige kannten sich von gemeinsamen Nähkursen in Holland oder virtuellen Nähtreffen. Es gab aber auch viele, die noch nie vorher ein Treffen besucht hatten.  


Sehr schön war, dass einige Wochen vorher eine WhatsApp Gruppe eingerichtet wurde. Auf die Art und Weise konnte man sich bei den letzten Näharbeiten zusehen, Verabredungen für den Aufenthalt treffen, sonstige Aktivitäten in Mailand austauschen bzw. sich einfach schon einmal ein bisschen kennen lernen.

Die Hauptsprache war Englisch, manchmal mit einigen Brocken Italienisch durchmischt.

Die Partylocation war eine private Dachterasse in der Nähe der Stazione Centrale. Es gab Häppchen, salzig und süß, die bis Mitternacht (offizielles Ende) nachgelegt wurden und eine große Getränkeauswahl - ein Disc Jockey machte Musik (die nicht von allen als tanzbar erlebt wurde), ein Fotograf Fotos, wer Glück hatte, konnte in einer Tombola nähaffine Preise gewinnen. Und wie ihr auf den Fotos seht, die Kleider waren einfach wunderwunderschön.



2 VIP Gäste waren angereist: Matthew, der in der 8. Staffel der Great British Sewing Bee teilgenommen hat und Gloria, Inhaber eines Textilhandels in Prato. Beide fungierten als Jury. Denn auf dem Laufsteg hatte man die Gelegenheit sein Outfit zu präsentieren. Ich glaube, es gab 3 Hauptpreise: la dolce vita, classico, special price....aber eigentlich ging es nicht um Konkurrenz, sondern ums Mitmachen und eine Präsentation der Idee des Kleidungsstücks. Es musste aber auch kein neues Kleid sein, es gab keine Regeln vorab, jeder wie er/sie mochte. Die Atmosphäre, das Miteinander waren einfach nett, lässig, entspannt.



Oben 2 "italienische" Outfits vom Vortag. Zitronen und später auch Muster im Stil von Dolce&Gabbana lagen sehr hoch im Kurs. Meine absolute Queen of Creativity ist Regina, oben rechts, viel Upcycling, der Haarschmuck enthält ein gelbes Zitronennetz. Ihr Outfit bei der Party seht ihr weiter unten.

Hier unten rechts die Organisatorin Ilaria im Kleid einer Römerin, der ein Riesendank gebührt. Grandios, was sie geleistet hat.





Eine Kollektion der Kleider, die mir besonders gefallen haben, die Zitronen rechts weiter unten waren selbst aufgemalt, das Gesamtoutfit von Adrienne mit Tasche und Hut komplett selbst gebastelt.

Regina mit ihrem Dress mit Korken, Flaschen, Netzen, Fischmaulschuhe, extrem cool und hip.






Tolle Rückenansichten und ein herausragendes Patchworkkleid von Antigone. Das Kleid unten links besteht aus lauter Taschentüchern, die die Italienerin aus dem Haus ihrer Großmutter gesammelt und miteinander verbunden hat. 



Ich hatte keine Zeit und auch keine Lust, etwas Neues zu nähen, habe lange überlegt, was ich anziehe und mich dann für die Poirethose mit dem Puscheloberteil und den hellblauen Puschelschuhen entschieden. Das war prima für die Temperaturen am frühen Abend und in der Nacht. Alle, die dickere Stoffe, mehrlagig, gefüttert und Jäckchen genäht hatten, haben geschwitzt bzw. konnten diese nicht tragen. 

Kurz vor Schluss hat Ilaria noch eine Tanzeinlage gezeigt, wunderschön. Ganz unten das Abschlussgruppenbild.

Was für ein herrliches kurzweiliges Wochenende mit ausschließlich interessanten neuen Bekanntschaften. Ich überlege jetzt doch, zu Instagram überzuwandern, denn dort bewegt sich die internationale Nähcommunity und dort gibt es auch viel, viel tolle Inspiration. Das Wochenende hat mir einen Riesenschub gegeben, mich wieder an die Nähmaschine zu setzen.




DANKE, Anja





Freitag, 27. Juni 2025

Galtrucco Tessuti

Noch vor meiner Abreise wollte ich auch das kleine Museum für Mode im Palazzo Morando in Milano besichtigen. Es befindet sich in einer Seitenstraße der Via Montenapoleone, wo die teuren und großen Designer ihre Häuser haben. Und wenn ich mir das Ausstellungsplakat außen am Gebäude jetzt anschaue, habe ich tatsächlich den letzten Tag der laufenden Ausstellung erwischt, das war mir gar nicht klar und im nachhinein muss ich sagen, ich habe Glück gehabt. Der Eintritt ist frei, es gibt auch noch andere Säle zu besichtigen. In diesem Post soll es aber nur um die Galtrucco Ausstellung gehen.



Galtrucco sagte mir nichts, aber die Italienerinnen aus unserer Gruppe erinnerten sich, dass ihre Mütter und sie mit ihren Müttern, als sie noch klein waren, in den Stoffläden, die es in allen Metropolen in Italien gab, eingekauft haben. Galtrucco verkaufte hochwertige Stoffe, in Italien gefertigt. Die Kunden waren Couturehäuser, Schneider und später zunehmend Endkundinnen, die nach Schnittmustern ihre Modelle fertigten. Alles begann 1870 mit einem kleinen Laden in der Periferie von Milano, später wurde ein größeres Ladengeschäft in der Stadt eröffnet, erweitert, dazu kamen dann Dependancen in allen größeren Städten in Italien. Ich habe hier die noch aktuelle Website gefunden, die auch Informationen zur Historie liefert, den Wiederaufbau nach den Bombardierungen 1943 und dem großen Brand 1974. Heute hat sich Galtrucco auf Möbel- und Dekorationsstoffe spezialisiert. Der Absatz an Endkunden in Ladengeschäften von hochwertigen Kleiderstoffen funktionierte seit der Jahrtausendwende nicht mehr wirklich.



Die Ausstellung beschäftigte sich einerseits mit den Stoffen und den Kleidern,die daraus genäht wurden, aber auch mit den Themen Werbung, Schaufenstergestaltung, Inneneinrichtung der Ladengeschäfte.



Diese gelben Blumen wurden schon in den 50er Jahren als der Autoverkehr zunahm an den Staatsstraßen aufgestellt - immer mehrere hintereinander, um auf den Stoffverkauf aufmerksam zu machen. Sie waren ca. 170 cm hoch. Mich hat das an die auffälligen Stiere in Spanien erinnert.

Im Hauptgeschäft von Galtrucco in Milano hing dieses Gemälde, es nennt sich "Die Kunst des Kleidernähens".


Es gab neben Stoffproben (alles hinter Vitrinen), auch viele Musterzeichnungen, unten von Krizia, oft wurden den Stoffproben und den Zeichnungen die fertigen Modelle gegenüber gestellt.



Unten Skizzen für die Innenarchitektur, großzügige Räume, hohe Decken, breite Treppen, alles sehr stilvoll und nobel. Wie heute die Edelboutiquen der Designer. Die Geschäfte natürlich in den besten Lagen. Zukünftig werde ich darauf einmal achten und mir ein Geschäft anschauen.



Karl Lagerfeld zählte zu den Hauptabnehmern der Galtrucco Stoffe.

Unten Fotos von Schaufensterdekoration mit thematischen Schwerpunkten. 'Das waren noch Zeiten...



In einem anderen Bereich wurden exemplarisch Kleider der 30er bis 70er Jahre gezeigt, teils von Schneiderinnen, die für Endkunden individuell anfertigten, teils von den großen französischen und italienischen Häusern. Einige interessante Modelle habe ich abfotografiert, wo entweder Stoff oder Schnitt oder irgendetwas anderes speziell war.











Auch Herrenmode wurde aus Galtrucco Stoffen geschneidert. Oben sind wir bereits in den 80er Jahren angekommen. Danach liefen die Geschäfte irgendwann nicht mehr so gut und Galtrucco konzentrierte sich auf Wohntextilien.

Soweit mein kleiner Einblick. Und noch eine Ergänzung: die Musterbücher und Modelle aus dem Bereich Kleidung gehören heute zur Clerici Gruppe, das ist die, die auch den Laden New Tess betreibt, an dem wir samstags einkaufen waren (und aus dem der Organza für meine Hemdbluse stammt). 

Danke fürs Lesen, herzlichen Gruß
Anja

Donnerstag, 26. Juni 2025

Sommerkleid - aka das Miss Täschli Kleid

Ratzfatz habe ich letzten Donnerstag und Sonntag ein neues Sommerkleid genäht. Lise, die auf Instagram Miss Täschli heißt, hat auf den Milanfrocktails ein ähnliches Kleid getragen. Vorab hat sie in der Chatgruppe ziemlich viele Probemodelle gezeigt, ich glaube, ihr Kleid ist komplett selbst konstruiert und sie hat großen Wert auf perfekte Armlöcher und perfekte Proportionen gelegt. Von ihrem Kleid habe ich leider (noch) kein Foto. Der Stil gefiel mir jedenfalls sehr, ein zauberhaftes leichtes Sommerkleid.

Beim Durchblättern meiner aktuellen La mia Boutique fand ich ein ganz ähnliches Kleid:


Ein ganz einfacher Schnitt, ich habe die italienische Größe 44 gewählt, bei dieser Form sind die Taillenmaße irrelevant. Habe den kopierten Schnitt noch mit meinem Grundschnitt abgeglichen und Rückenabnäher eingefügt, weil es sonst abgestanden hätte. Die untere Rüsche besteht aus 2 Rechtecken, die ich mit einem Gummiband eingekräuselt habe, ich hatte Angst, dass es sonst zu ungleichmäßig wird. Außerdem habe ich den Schnitt im oberen Bereich um 3 cm und die Rüsche ebenfalls um 3 cm verlängert.

Der Stoff ist ein gut abgelagerter Hosenbaumwoll-Elasthan von Brax, erworben in der Restetruhe in Bielefeld. Vermutlich vor 7 Jahren und damit der älteste Stoff in meinem Depot (ich habe auch noch 1,5 m übrig). Gemeinsam habe ich damals mit meiner Mutter etliche Brax Stoffe gekauft, sie wurden zu Hosen und Röcken, geblieben ist noch dieser blumige Stoff, der mir grundsätzlich gefiel, aber doch ein bisschen blass macht. Für eine Hose mag ich sowas nicht, für ein Kleid ist er schon ziemlich fest von der Bindung her. Das Muster fand ich richtig toll.

Das Kleid war schnell genäht. Auf das vorgesehene Futter habe ich verzichtet, dafür wurde ein großzügiger Beleg mitgefasst, der Ausschnitt und Armlöcher einschließt.

Das ganze Kleid sah am Ende etwas langweilig aus. In meiner Kiste fand ich noch ein perfekt auf die Farben des Musters abgestimmtes grünes Band, das kam auf die Schultern (nicht zu sehen auf den Fotos) und über den Ansatz der Rüsche. Nachdem ich das Ganze mehrmals hin und her gesteckt habe, erst wollte ich eine Schleife auf der Vorderseite seitlich anbringen, dann doch lieber ganz umfassen und dann kam mir die Idee mit den Bändern, die einfach seitlich herunter hängen. Sowas habe ich des Öfteren an Hosen gesehen. Das Band reichte genau und was soll man am Ende mit so einem kleinen Rest?



Zusätzlich zu dem Band hatte ich auch perfekt abgestimmte grüne Knöpfe, die dekorativ den Ausschnitt hätten schmücken können. Meine Nähblase meinte aber, das sei zuviel des Guten. Also nur das Band.

Zusammenfassung:

Schwierigkeitsgrad: einfach, wirklich sehr einfach

Zeitaufwand: wenn man von den vielen Überlegungen zur Dekoration absieht, schnell, sehr schnell, Zuschnitt 3 Teile (auf einen Reißverschluss habe ich verzichtet, mein Kopf passt oben durch) und dementsprechend wenige Nähte

Kosten: der Stoff lag bei 5 Euro den Meter, gebraucht habe ich 1,5 m, Band, Garn vorhanden

Ich habe das Kleid bereits angehabt und es funktioniert trotz des dichten Stoffes auch bei hochsommerlichen Temperaturen. Bin sehr zufrieden damit.

Bis dahin, viele Grüße

Anja

Dienstag, 24. Juni 2025

Armani/Silos - 20 Jahre Haute Couture

Vorletzten Samstag war ich in einer Gruppe von 4 englischen und einer weiteren deutschen Sewista verabredet, um die derzeit laufende Ausstellung in den Armani/Silos anzuschauen. Die Silos, die so heißen, weil sie in dem ehemaligen Industriedistrikt Tortona in einem ehemaligen Getreidesilo sind, beherbergen eine riesige Ausstellungsfläche auf drei Etagen und ein digitales Archiv (das wir aus Zeitgründen nicht mehr geschafft haben, weil ein Teil der Gruppe hungrig wurde, die Ausstellung sehr umfangreich war und unser Zeitplan noch andere Aktivitäten vorsah). Sehr genossen haben wir die Kühle in dem fensterlosen Gebäude.


Die Ausstellung konzentriert sich auf Haute Couture Abendmode aus den Jahren 2005 bis 2025. Giorgio Armani hat die Modelle ausgewählt. Bei einigen waren Trägerin und Anlass erwähnt. Schön wäre gewesen, noch Videos der Modelle im getragenen Zustand zu sehen oder auch die Seiten- oder Rückansicht. Bei sehr vielen Kleidern hatten wir Zweifel hinsichtlich der Trageeigenschaften, kann man den Arm noch heben, um aus einem Glas zu trinken? Wie funktioniert der Toilettengang in der betreffenden Robe, braucht man Hilfe (kurioserweise hatten wir am Abend in unserer Partylocation das gleiche Thema, da es nur eine Stehtoilette gab, ihr wisst schon, diese Dinger von früher, wo man die Füße auf 2 vorgezeichneten Plattformen positioniert und sich dann über ein Loch hockt, was mit langem Kleid und weiter Hose oder gar einem Jumpsuit arg schwierig ist)? Kann man eine Treppe steigen oder sich überhaupt hinsetzen? All diese Fragen blieben offen. 


Irgendwer aus unserer Gruppe (eine Engländerin) war von dem rosa (Barbie-) Kleid komplett begeistert.



Ich habe eine Auswahl von Fotos der für mich persönlich interessantesten Kleidungsstücke ausgewählt, das meiste ist sicherlich handgearbeitet, die Perlen, Pailletten, Federn mit Hand aufgenäht, unfassbar viel Arbeit steckt in den Sachen. Ich würde fast nichts von den Armani Haute Couture Modellen anziehen wollen, zuviel Gedöns, merkwürdige Ausschnittdrapierungen, Rüschen, Glitzer, Stäbchen im Übermaß, nicht mein Geschmack. Im Erdgeschoss waren fast nur weiße und schwarze Sachen, weiter oben kam dann Farbe, das gefiel mir deutlich besser. Im 3. Stock fehlte uns die Energie, noch alle Modelle detailliert anzuschauen und auseinander zu nehmen.


Die Farbkombi oben ganz meins, das Modell unten gefällt mir hingegen nicht, aber wir haben lange über die Verarbeitung sinniert.




Auf den meisten Bildern kommt die reiche Stickerei nicht gut raus, stellt es euch einfach vor. Das Kleid unten drehte sich und war sehr beeindruckend.



Oben, nun ja, schon besonders, aber schön ist anders und wer trägt bitteschön so einen Ausschnitt wie unten, auch wenn teure Perlen drauf gestickt sind.



Unten ein wenig Makramee (ich dachte, es sei gehäkelt, wurde aber eines Besseren belehrt), vielleicht eine Idee zum Nachmachen? Jemand verglich das Oberteil gar mit einer Blumenampel...


Soviel zu den Armani/Silos, gelohnt hat es sich dennoch, um einen Eindruck von Haute Couture zu bekommen, um in die Verarbeitung einzutauchen, die Materialien zu sichten. Inspiration gab es schon, ich würde die Dinge für mich stark abwandeln, aber wann braucht man schon so ein Kleid?

Damit für heute, ciao und saluti, ci sentiamo prossimamente

Anja