Dienstag, 31. Oktober 2023

Annäherung an ein Kleidungsstück

Bei Malhia Kent habe ich im September vom Grabbeltisch einen Coupon (ca. 180 x 140 cm) mitgenommen (mit einem Anschnitt 70 x 40 cm), also mehr Stoff als für das Tweedkleid

Ich nahm an, dass die Stoffmenge für eine Flared Hose reichen würde, aber auch das Hin- und Herschieben von Schnittteilen brachte nicht den gewünschten Effekt. Lange diskutierte ich in der Nähdelsgruppe und mit einigen befreundeten Hobbyschneiderinnen, ob ich vielleicht quer zum Fadenlauf zuschneiden könne: die überwiegende Meinung lautete, besser nicht, auch wenn in diesem Artikel nicht grundsätzlich abgeraten wird, denn bei einer Hose sei der Zug auf die Schussfäden stärker als bei Rock oder Kleid.

Eine neue Idee musste her, sicher keine Jacke und ein normales Kleid hatte ich ja schon. Die Internetrecherche führte mich zur Louis Vuitton Kollektion im Herbst 2022, dieses Latzkleid ist genau mein Stil, große Taschen liebe ich sowieso, in der Verlinkung kann man auch die Rückseite und einigermaßen die Konstruktion der Seiten erkennen, die komischen wulstigen Kanten sind allerdings nicht meins:

Ich habe meine Grundschnittteile hervorgekramt, mich langsam der Vorder- und Rückenträgerform angenähert, dafür habe ich tatsächlich ein kleines Probeteil gesteckt, denn die Träger müssen sitzen. Das Rockteil wirkt auf den ersten Blick banal, ich hatte jedoch beim ersten Versuch extrem viel Weite im unteren Bereich, habe dann an den Seiten je ca. 15 cm abgeschnitten. Der Rock war auch zu lang, er fiel schwer nach unten und längt sich vermutlich auch ein wenig. Hier exemplarisch das zugeschnittene Vorderteil. Das Kleid wird komplett gefüttert. Venezia Futter aus der Karstadt Auflösung liegt bereit.

So sieht der Zuschnitt des Rückens aus:


Wie ich bei einer weiteren Steckprobe feststellte, ist der Ausschnitt im Vergleich zum Modell deutlich zu klein, hingegen könnten die seitlichen Trägerteile schmaler sein, demzufolge habe ich weiteren Stoff heraus geschnitten. die Träger habe ich bewusst nicht ganz bis unten in die Taille laufen lassen, sondern ca. 5 cm oberhalb enden lassen:


So nähte ich die verschiedenen Stoff- und Futterteile zusammen. Es hat sich irgendwie entwickelt. Ein Glück, dass ich problemlos in passendem Garn von rechts nähen kann, ohne das es auffällt. So sind die Riesentaschen seitlich und die äußeren Träger und die Futterträger einfach eingeklappt und von rechts aufeinander genäht. Die Alternative wäre eine Handnaht gewesen. Foto vom Zwischenstand:


Mein letztes Etikett von Constanze habe ich eingenäht:


Das Ausfransen des Saums lief ähnlich gut wie bei diesem Kleid, ich habe wieder die Schussfäden ausgefranst, das ist einfacher. Ein Versuch mit Kettfäden scheiterte wegen der vielen hubbeligen Bänder und Fäden mit Verdickungen.

Fummelig wurde es am Ende, als ich das Innenfutter unten passgenau oberhalb der Fransen einnähen wollte, das musste dann tatsächlich Maßarbeit sein. Ich habe mich dann allerdings wieder der Einfachheit halber für einen eingeklappten Maschinensaum entschieden.

Die Fotos entstanden bei eiskaltem Wetter draußen, Jacke und Mantel passen über das Kleid, denn die seitlichen Taschen klappen sich nach innen/hinten. Wenn ich eine Cross-Over Tasche trage, verdreht sich das Kleid leider und ein Taschenbeutel hängt leicht hinten, insofern ist ein verdeckender Mantel die bessere Lösung:


Und nun einige Aufnahmen, auch mit erkennbaren Details:




Ich trage das Kleid/Trägerkleid/Latzkleid/Tunika inzwischen wirklich gerne und oft. Habe es auch bereits über eine Hose angezogen, sehr vielseitig einsetzbar, für die Oper oder die Gassirunde. Und eine zusätzliche Tasche brauche ich nirgends mehr, denn in die 4 Kleidtaschen passt alles rein: Handy, Schlüssel, Portemonnaie, aber auch eine Klapptrinknapf für den Hund. 

Hier noch eine Rückansicht:


Und die Zusammenfassung:

Zeitaufwand: als endlich feststand, was ich machen wollte, ca. eine Woche je 1 -2 Stunden. Der Prozess der Entwicklung hat jedoch viel länger gedauert, weil ich eigentlich auf eine Hose fixiert war.

Schwierigkeit: problemlos zu nähen, einfach und dadurch, dass ich auch von rechts durch die Lagen nähen konnte, gut Stück für Stück zu nähen

Kosten: Stoff 24 Euro, Futter 2 Euro, leider habe ich keine Preise für das Original gefunden


Viele Grüße, Anja







Mittwoch, 4. Oktober 2023

Chanelartiges Boucle-/Tweedkleid aus dem Grundschnitt

Bei meiner Recherche zum Halbtellerrock bin ich auch auf verschiedene weite Hosen von Chanel aus der Kollektion 22/23 und auf dieses Kleid aus der gleichen Kollektion wie der Halbtellerrock gestoßen, die Verlinkungen funktionieren leider nicht mehr:

Das Projekt mit dem Rock hat mir gut gefallen und mit dem Ergebnis war/bin ich auch sehr zufrieden. In der Folge schaute ich nach diesen Stoffen, die für mich in der Vergangenheit zu altbackenen Chanel Jäckchen gehörten. Bei einigen Händlern heißen sie Tweed, nach meinem Verständnis ist Tweed eher - oft in Fischgrat - gewebter Stoff aus Schottland, z. B. Harris Tweed. Es kursiert auch die Bezeichnung Chanel Bouclé, manchmal auch Chanel Tweed, genau kann ich nicht sagen, was korrekt ist. Beide Bezeichnungen werden synonym verwendet. Mir scheint, dass Bouclé ein Unterbegriff zu Tweed ist und lockerer gewebt ist, außerdem diese typischen Knötchen im Garn hat. 

Jetzt, wo es auf den Herbst zugeht, gibt es mehr Auswahl an derartigen Stoffen beim örtlichen Stoffhändler. Aber ich war vor 2 Wochen in Paris. Das oben gezeigte Kleid ist aus einem Stoff von Malhia Kent. Dort war ich vor Jahren schon mal ohne etwas zu kaufen, die Auswahl hat mich damals etwas überwältigt. Die Preise offen gestanden auch. Mittlerweile hat sich mein Stoffkaufverhalten geändert, da passt Malhia Kent ganz gut für eine Stippvisite. Und wunderbarerweise gab es gleich neben dem Eingang einen großen Tisch, auf dem Reste ausgebreitet waren. Die Stücke waren unterschiedlich groß, oft noch mit Zipfeln an den Enden. Abgerechnet wurde nur der Teil, wo die volle Stoffbreite vorhanden war. Ich habe 2 Stück mitgenommen und hätte noch mehr nehmen können. Das waren wirkliche Schnäppchen, verglichen mit den Originalpreisen etwa 70 % rabattiert. Aber wann soll ich das alles vernähen? Und ich habe ja auch eigentlich genug Winterkleidung.

Ist das überhaupt ein Winterkleid, nun ja, mein Stoff reicht gerade dafür, die Ärmel werden mglw. ein wenig kürzer ausfallen. Und wie bei anderen Winterkleidern ohne Ärmel kann/werde ich ein Jerseyshirt oder einen Rolli darunter tragen.

Der Schnitt ließ sich einfach aus dem Grundschnitt konstruieren, ein Shift Dress, ich beließ den Brustabnäher, veränderte den Ausschnitt ein wenig und ergänzte den Rückenabnäher. Außerdem verlängerte ich das Kleid ein wenig. Unten seht ihr auf dem Boden ausgebreitet meinen "Block" aus dem Behind the Seams Kurs, den ich minimal abgewandelt habe. Der Ärmel weicht stärker ab, da ich ein tieferes Armloch benötige.



Für die Fransenborte ging ich wie beim Halbtellerrock vor. Bei diesem Stoff ist sie viel einfacher herzustellen, die Fäden fallen schon beim Angucken aus dem Stoff. D. h. aber auch, dass ich beim Nähen aufpassen muss und die Ränder vorher mit Zickzack absteppe und an einigen Stellen verstärke, um ein Ausfransen zu vermeiden.

Leider ist mein Kleid heute am Me Made Mittwoch noch nicht fertig, weil ich über das verlängerte Wochenende noch anderes zu tun hatte. Aber hier schon mal eine fast fertige Ansicht, es fehlen noch die Fransenborten am Saum, die fertig, aber noch nicht angenäht sind:



Die Saumlänge wird in etwa so bleiben, unten wird dann ja ein Teil umgeklappt und die ca. 3 cm breite Fransenborte angenäht. Ich habe noch 2 kleine Stoffstücke übrig (ansonsten war es wirklich ein Zero Waste Projekt), aus denen könnte ich eine kleine aufgesetzte Tasche nähen, mit Fransenborte, mal sehen. 

Was mir erst im nachhinein aufgefallen ist: für die Borte hätte ich bei diesem Stoff eigentlich die andere Richtung nehmen müssen, aber das wäre sowieso nicht möglich gewesen, denn dafür hätte ich keinen Stoff an den Seiten übrig gehabt. Also ist sie etwas dezenter und besteht nur aus dünnen schwarzen und weißen Fäden. Hier ein Eindruck:


Die Ärmel und vor allem die hintere Mittelnaht müssen noch ordentlich gebügelt werden. Ich habe auch vorne zusätzlich zu den Brustabnähern 2 Längsabnäher eingearbeitet, ohne diese fiel das Kleid etwas formlos, der Rock ist leicht ausgestellt. Auf Reißverschluss oder Knopf hinten habe ich verzichtet, weil ich solche Kleider gut über den Kopf anziehen kann (der Ausschnitt ist ja recht groß).

Schwierigkeit: tricky, mit so einem Stoff, der unfassbar franst, habe ich noch nie genäht. bei Burda gab es ein Video zum Umgang mit schütteren Stoffen (den Begriff hatte ich auch noch nie gehört), daran habe ich mich ein bisschen orientiert. Vom Schnitt her allerdings einfach zu nähen.

Zeitaufwand: ein ganzer Samstag und Borte ausfransen ca. 2 Stunden, der Saum ist dann schnell angenäht, das schaffe ich nächstes Wochenende.

Kosten: ca. 20 Euro (Restecoupon, 1,5 m mit einem Stück aus dem ich einen Ärmel schneiden konnte)

Ich werde das Kleid nochmal fotografieren, wenn es endgültig fertig ist und die Bilder dann hier ergänzen. Das ist jetzt, 2 Tage später, der Fall, ich habe absichtlich langärmlige Sachen darunter angezogen, nichts ist zu eng oder unbequem, der Stoff ist weich wie Sweat und sehr, sehr warm, da kann die Heizung wieder abgeschaltet werden im Winter:



Der Ärmel endet minimal oberhalb des Ellenbogens, die Fransen stehen hinein, aber das schränkt die Beweglichkeit nicht ein. Mit einem Rolli geht es auch, ich finde es aber schöner mit einem langärmligen Jerseyshirt. Der Rolli ist braun, in dem Stoff sind ja auch kleine ockerfarbene Fäden verwebt, mir fehlt allerdings noch eine passende Strumpfhose.



Ja, und die Taschen, aber dafür sind mir genau diese beiden Stoffstücke geblieben, oben nutze ich die Webkante, unten franse ich aus, die Seiten werden eingeklappt und aufgenäht, 2 Taschen, damit die Front weniger langweilig ist.

Mit den fertigen Taschen und flott genähten Stulpen in olivgrün mit passender Strumpfhose sieht das Kleid dann so aus, gefällt mir fast am besten, weil der Kontrast nicht so hart ist wie bei den dunklen Farben:


Aus meinem anderen Stoffteil in schwarz-weiß-rot usw. mache ich dann diese Hose beim Nähtreffen im November in der Toskana, auf das m.E. spießige Jäckchen verzichte ich, nicht nur aus Stoffmangel. Die hing letzten Herbst im Schaufenster und ich habe sie nicht vergessen, aber nie solche Stoffe gesehen. Ich bin nicht in der Lage einfach so auszurechnen, wieviel günstiger mein Material im Vergleich zu dieser Hose ist.

Gezeigt beim Me Made Mittwoch im Oktober, vielen Dank fürs Schauen und Kommentare aller Art, lieben Gruß, Anja