Donnerstag, 13. Juli 2023

20th Century Fashion mit Schnittmustererstellung

Beim Brunch während der Nähdelsreise nach Stuttgart hat Muriel mich darauf gebracht (danke nochmal dafür): Alice&Co Patterns haben eine Reihe, in der die Mode des 20. Jahrhunderts vorgestellt wird, den Behind the Seams Club, Muriel glaubte, dass mich das interessieren könnte und ja, sie hatte Recht. Letzten Montag habe ich mir die Folge zur Mode der 60er Jahre angeschaut, das ist bereits Session 10 (vor dem 20. Jahrhundert gab es auch noch die Jahrhunderte davor, die mich allerdings nicht so interessieren).

Alice, Modedesignerin, und ihre Tochter Lilia, die im Victoria und Albert Museum im Kostümbereich arbeitet, stellen einmal im Monat online ein Modejahrzehnt vor. Ich bin erst ziemlich spät eingestiegen, aber die Session hat mich so begeistert, dass ich mir nachträglich die anderen Sequenzen "gekauft" habe, um mir die Aufzeichnungen der 20er - 50er Jahre in Ruhe anzuschauen. Und dann freue ich mich schon auf die Zeit der 70er, 80er und 90er Jahre, die ich viel bewusster mit erlebt habe. 

Der "Kurs" dauert knapp 2 Stunden und ist in 3 Teile unterteilt: als erstes wurden die typischen Merkmale der Mode der 60er Jahre vorgestellt, Minirock, A-Linie, Cut-Outs, PVC-Stoffe usw., es wurden  verschiedene Designer vorgestellt, die in der Zeit populär geworden sind, auch Modeikonen, Materialien, typische Schnitte (aus dem englischsprachigen Raum). Ich erinnere mich noch an diese Zeit aus meiner Kindheit (mein roter Plastikregenmantel mit Hut, ein Karominirock, die Kleidung, die die Barbiepuppen, mit denen ich spielte, getragen haben), allerdings habe ich das Gefühl, dass manche Trends erst Ende der 60er Jahre, vielleicht sogar erst Anfang der 70er Jahre Deutschland erreichten. Abschließend gab es auch einen Ausblick auf Elemente der 60er Jahre, die in neueren Kollektionen auf dem Laufsteg gezeigt werden. Seit der Jahrtausendwende gibt es m.E. ja nicht mehr arg viel Neues, sondern immer wieder Elemente der früheren Jahrzehnte unterschiedlich miteinander kombiniert, anderer Mustermix, für die Jugend ist das aber alles irgendwie neu und die 90er Jahre Mode kann man inzwischen in Vintageläden in Frankfurt kaufen.

Hier Screenshots aus dieser Sequenz (mit Erlaubnis), damit ihr einen Eindruck bekommt, es war informativ, aber nicht überladen:



Im zweiten Teil zeigten Alice und Lilian eigene Stücke, die sie anhand der Mode der 60er Jahre gefertigt haben, einige der Teilnehmerinnen des Online Kurses hatten auch Kleider aus der Mary Quant Ausstellung, die vor ein paar Jahren in London zu sehen war, genäht. Man konnte und kann sich immer noch Schnitte irgendwo auf der Website herunterladen. Zwischendurch waren jederzeit Kommentare und Fragen möglich. Aber eigentlich wurde alles gesagt, Mutter und Tochter ergänzten sich bestens.

Teil 3 war dann für mich wieder ein Highlight: ich merke einfach, dass ich Schnittkonstruktion und das Verständnis, wie Schnittmuster funktionieren und das Einbringen der eigenen Kreativität zum Abwandeln derselben, viel interessanter finde als das manchmal fummelige und ordentliche Nähen und Erstellen eines handwerklich perfekten Kleidungsstückes. Ich verliere leider auch schnell die Lust, Auftrennen ist mir verhasst, ich gebe mich oft mit einem Zustand zufrieden, den andere suboptimal finden. Solange man die Unregelmäßigkeiten nicht sieht, sind sie mir ziemlich egal.

Zu einer Session erhält man einen "Miniblock", mit dem ein fiktiver Grundschnitt abgewandelt werden kann. Bei dem gesamten 20th Century Bundle ist ein richtiger Schnitt in Körpergröße dabei. Den werde ich noch mit meinem Grundschnitt aus der Anfangszeit meines Nähens abgleichen. Es ist ein anderes Schnittmustererstellungssystem verwendet worden als Hofenbitzer aus meinem VHS Kurs damals, bei Alice&Co ist im Rücken ein Abnäher vorgesehen, bei mir ist die hintere Mitte eingestellt, aber auch das kann man leicht miteinander vergleichen. Am Bildschirm wird dann sehr anschaulich gezeigt, was ich tun muss, um die Abnäher zu verschieben, so wie ich es vor Jahren mit Schere und Klebeband gemacht habe. Es wird mit einfachen Worten erklärt, wie man den Schnitt mit Hilfe von Einschnitten und Zusammenkleben verändern kann. Das war ein toller Fresh-Up, denn in meinen beiden Wochenendkursen haben wir uns primär mit Grundschnitterstellung beschäftigt und die Varianten nur kurz gestreift. Ich habe zwar auch Bücher zu dem Thema, aber ich finde das Lesen von Büchern doch umständlicher als das Anschauen eines Kurses. Ich glaube auch, dass es für jemanden, der sich noch nicht mit Schnittkonstruktion beschäftigt hat, verständlich ist. Das Video von Alice&Co kann ich mir immer wieder anschauen, außerdem gibt es ein hinterher ein Dokument mit den Beispielen der Schnittveränderung. Dabei dienen Bilder von Original Schnittmustern der 60er Jahre als Grundlage.



Nach einem sehr heißen und anstrengenden Tag letzten Montag, hat mir der Kurs richtig Spaß gemacht. Wieviel Arbeit man sich hinterher noch macht, liegt an einem selbst. Ich bin jedenfalls im Moment wieder hochmotiviert, an Schnittmustern zu arbeiten. Dieser interessante Latzrock gefällt mir sehr und ist nicht schwer zu konstruieren. Ich staune auch immer wieder, wieviele sich ähnelnde Schnittmuster verkauft werden und wer die alle kauft. Es ist wirklich nicht schwer, selbst zu konstruieren. Allerdings sind die Sachen der 60er Jahre auch besonders einfach, Alice verwies auch darauf, dass Mary Quant eine geniale Geschäftfrau war, denn die damalige Mode war schnell zu nähen und verbrauchte wenig Stoff, dadurch steigt logischerweise die Gewinnspanne.

Auf bald, Anja



6 Kommentare:

  1. Das hört sich sehr interessant an und deine Begeisterung ist spürbar,
    : ) und ich bin gespannt, wie dir deine Eigenkonstruktionen gelingen und ob du sie auf dem Blog vorstellen wirst.
    Ich liebe den Stil und die Ästhetik der 60er Mode, ohne, dass ich sie selbst tragen wollen würde.
    LG von Susanne

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    1. Vielen Dank, liebe Susanne, ich freue mich immer sehr über Kommentare und mag auch das Bloggen immer noch sehr, sicherlich stelle ich das Genähte vor, lieben Gruß, Anja

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  2. Das ist echt traurig, dass ich das in Stuttgart nicht mitbekommen habe. Ich hätte wirklich gerne an dem Kurs 1940 oder 1950 teilgenommen. Das Bundle zum Nachschauen ist für mich leider zu teuer und die kommenden Jahrzehnten interessieren mich weniger.
    Gleichzeitig macht es Freude von deiner Begeisterung zu lesen. Bin auch schon gespannt auf deine Umsetzungen!
    Grüße, Tina

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    1. Für die 40er und 50er wäre Stuttgart auch zu spät gewesen, ich werde mir jetzt nach und nach beginnend bei den 20ern alles angucken. Ich halte dich auf dem Laufenden. LG Anja

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  3. Das klingt wirklich spannend! Ich bin ein großer Fan des V&A Museums. Ebenso gespannt bin ich auf Deine Umsetzungen. Auch ich wundere mich, dass auch das zigste Boxy Top offenbar noch Abnehmer findet. Vor Schnittkonstruktion ab einem gewissen Level habe ich aber nach wie vor großen Respekt. Freue mich auf Deine Fortführung dazu. Lieben Gruß Manuela

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    1. Es ist spannend, die Kleider, die man sich teils bei den Ausstellungen im V&A runterladen konnte, sind auch von Alice & Co. Sie arbeitet mit einem einfacheren System, Telestia, kommt auch aus Deutschland, aber irgendwie machen wir es uns mit dem Perfektionismus bei Hofenbitzer und Müller und Sohn schwierig, am Ende entscheiden oft Mehrweite und Stoff über die Passform und nicht so sehr, ob ich ganz penibel 1/4 von x mit 1/3 von (y - 5) cm multipliziert habe und die Linie exakt im Winkel von z Grad angesetzt. Dieses System und ihre Erklärungen kommen mir erstaunlich einfach vor. Sie lässt auch manchmal 5 gerade sein und rät zu unorthodoxen Lösungen. Habe am Wochenende die Zeit bis zu den 30er Jahre angeschaut und meine Nähpläne steigen bereits jetzt ins Unermessliche. LG Anja

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