Montag, 3. Februar 2025

Immer dabei: Die Tasche - eine Ausstellung im Ledermuseum Offenbach

Derzeit gibt es im Ledermuseum wieder eine wirklich interessante und sehr umfassende Ausstellung zu sehen. Es geht um die Tasche als Transportmittel, Statussymbol, für Einkäufe, Reisen, Geld, am Gürtel, in der Hand, über die Schulter, für Selbstgemachtes oder einfach zum Mitnehmen in diversen verschiedenen Größen, Modellen, Farben, Materialien. Früher und heute. Wie das im Ledermuseum so ist (auch bei der Handschuh- und der Schuhausstellung) verlasse ich das Museum am Ende etwas überfrachtet mit Eindrücken und neuem Wissen. Und das bei Taschen, wo ich gedacht hätte, soviel Neues gibt es da nicht.

Spannend war für mich der persönliche Rückblick durch Taschen in meinem gesamten Leben, Kindergartentäschchen, Schulranzen, Kinderhandtasche, Handarbeitskorb, gehäkelte Basttaschen in den 70ern, Jute statt Plastik-Beutel, eine Plastikcomicuntertasche in den 80ern und irgendwann als ich gearbeitet habe diverse Modelle von Handtaschen, passend zu Schuhen oder Koffern - wie es das Business verlangte. Irgendwann mit dem Nähen kamen dann Beutel, Kunstledertaschen, und am Ende sogar selbstgemachte Ledertaschen zu mir, nur ein Designerprodukt habe ich nie besessen.


Durchleuchtet wurde auch die Beziehung der Träger*innen zu ihrer Tasche. Siehe Videofotos. Männer, die Taschen tragen, sind immer noch eine Randgruppe, wenn man mal von Aktentaschen, Hipsterbags, Rucksäcken und einzelnen Schultertaschenmodellen absieht.


Weitere Videos zeigten Taschen, die irgendwann nach ihren Träger*innen benannt wurden: Jackie, Birkin, Kelly, De - tatsächlich hatten sie vorher "eigene" Namen. 


In einem separaten Raum wurde in einer Vitrine von Skizze, über Schnittmuster, Bestandteilen gezeigt, wie eine Handtasche peu a peu entsteht. Dass Taschen ein sehr komplexes Thema sind, ist jedem, der schon mal eine Tasche genäht hat, klar. Bei einem Luxusmodell mit Innentaschen, Verschlüssen, Futter usw. wird das noch einmal sehr deutlich. Die fertige Tasche (Modell Weimar 4929, ohne Foto, sorry, aber irgendwo habe ich bei der Bildauswahl eine Grenze gesetzt) ist von der einzigen im Kreis Offenbach verbliebenen Firma, die noch im oberen Segment produziert, Picard.


Im sogenannten Studioraum wurden die Luxustaschen gezeigt. Und es gab dazu Videos von Tanner Leatherstein, die ich mir angeschaut habe. Er kauft Luxustaschen, zerlegt sie und bewertet sie hinsichtlich Material und Preis. Die Ergebnisse sind durchaus unterschiedlich: der Preis ist fast immer viel zu hoch, bei der Nano Tote von Strathberry, einem neueren britischen Label, war alles perfekt (Megan Markle trug deren Tasche oben), bei Louis Vuitton war die Qualität prima, aber der Preis irgendwie 16 x so hoch wie vertretbar gewesen wäre. Bei einer Yves Saint Laurent Tasche entsprach die Qualität eher dem Mittelmaß, die Preisüberhöhung war nicht ganz so extrem. Am absurdesten schien Leatherstein die Jaquemus Micro Bag.


Aber nun zu exemplarischen Taschen in der Ausstellung: Beruf (Hebammenkoffer aus den 50er Jahren, Tornister für einen Sanitäter 39/40, aufgrund der Fellbespannung als "der Affe" bezeichnet)



Taschen aus anderem Material als Leder: rechts Ozelot 1910, längst vom Handelsverbot geschützt, links bedrucktes Kuhfell, 1997.



Unten die obere Tasche aus 393 Computertasten auf Nylon aufgebracht (2008), die untere Tasche die bekannte Pliage von Longchamps 2024 (entworfen 1993), immer wieder in unterschiedlichen Farben neu aufgelegt. Entschuldigt bitte die Fotoqualität, es ist leider sehr dunkel in dem Museum, was sicher mit dem Schutz der Objekte zusammen hängt).




Bei dieser Tasche oben hat mich besonders das Fach an der Seite fasziniert, wo Dame von Welt ihre Kosmetikprodukte unterwegs sicher verstauen kann (1940, Goldpfeil für Elizabeth Arden).



Erinnern sich einige von euch noch als alle Welt mit diesen Taschen mit den Schlössern rumlief? Diese ist von 2004. Die Taschen waren omnipräsent im Stadtbild, wo sind sie geblieben?

Unten ein Blick in die Ausstellung, jedes Taschenmodell ist in dem Heft, das man mit nach Hause nehmen kann, ausführlich beschrieben. Alles zu lesen, halte ich für unmöglich.




An einigen Modellen hingen seitlich Materialproben zum Anfassen. Insbesondere bei den Taschen, die aus Ersatzprodukten gefertigt waren.

Die Handtasche unten hat im Boden ein Schmuckfach, unglaublich, was sich Designer schon alles ausgedacht haben. Dagegen sind die Entwürfe heute weniger praxisorientiert. Haben Handtaschen separate Fächer für Mobiltelefon, Schlüssel usw. In die Jaquemus Microbag passte nicht einmal der Autoschlüssel des Testers.

Es gab auch eine Handtasche mit Beleuchtung, Straeter Lite-on von 1953, sie enthielt einen drehbaren Make-up Spiegel, Magnethalter für Lipstick und Parfümfläschchen (hatten die früher Magneten?), Zigarettenetui (sowieso sehr verbreitet), zusätzlich Innen- und Außenbeleuchtung für das Öffnen von Türschlössern im Dunkeln, wow). Loewe hat das Design 2019 mit seiner Lantern Bag aufgenommen.



Die Tasche oben aus Reptilienhaut (leider kann ich nicht mehr nachvollziehen, welches) fand ich eher abstoßend, wenn man genau schaut, sieht man, dass vorne die Pfoten/Beine/Krallen sichtbar aufgepresst/eingearbeitet sind). Gruselig bis häßlich.

Einen Teil der Einkaufsbeutel unten dürfte jede/r von uns kennen, gerade vorhin saßen tatsächlich 2 Frauen mit dem Hugendubel Beutel in der U-Bahn, es gibt ihn schon ewig, seit den 10er Jahren sind diese Beutel bei jungen Leuten wieder sehr beliegt als Taschenersatz. 




Interessant und überraschend auch die Entwürfe von Absolventen der Pforzheimer Hochschule, unten eine Collage, sie waren über die ganze Ausstellung verteilt und wurden immer da gezeigt, wo sie farblich, materialmäßig oder designmäßig passten.

Vielleicht gehe ich nochmal hin, beim Blättern durch das Heft zuhause fiel mir auf, dass ich nicht alles wahrgenommen habe, was interessant gewesen wäre. Zum Glück sind es für mich nur 10 Minuten mit der Bahn.

Danke fürs Schauen und viele Grüße

Anja


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