Nachdem ich die Lust am Nähen wieder gefunden habe und das Cividini Dress erfolgreich fertig gestellt hatte, wollte ich aus dem etwas planlos gekauften Reststoff in Orange (vermutlich Triacetat wie die Brennprobe ergab) von Annette Görtz ein Hemdblusenkleid machen. Ich hatte den gesamten Rest von der Rolle genommen, etwa 2,5 m und begab mich auf die Suche nach einem Schnittmuster. Außerdem wollte ich nur 8 Knöpfe verwenden, denn ich hatte in Gütersloh ziemlich viele Knöpfe gekauft, aber jeweils nur 8 von einer Sorte. Insbesondere die Knöpfe stellten ein Problem dar. Manuela von Twill & Heftstich hat mir Kopien der mir fehlenden Nähanleitung des Saraste Dresses geschickt, ich habe ein ganzes Wochenende meinen Bestand an Schnittmustern und Heften durchgeschaut und mir mehrere Burdas in der Bibliothek bestellt. Die meisten Kleider mit maximal 8 Knöpfen entsprachen nicht dem Hemdblusenkleid, das ich mir vorstellte. Wie auch, denn ein Hemdblusenkleid ist üblicherweise durchgeknöpft und dann braucht es mehr als 8 Knöpfe.
Vorvergangenen (sagt man so?) Montag beim Nähdelsabend hat Julia von Piek & Fein ein Kleid gezeigt, das sie gerade näht: so ein Hemdblusenkleid schwebte mir vor und dieses, das Calvari Dress der spanisch-französischen Marke Pauline Alice, hat laut Plan nur 6 Knöpfe (ich habe einen Knopf mehr in die vordere Leiste eingearbeitet). Perfekt. Auch wenn Julia glaubte, dass 2,5 m Stoff zu wenig seien. Es gibt keine klassische technische Zeichnung. Die Ärmel sind im Schnitt definitiv kürzer und der Kragen ist ein normaler angenähter Kragen ohne Steg. Die Zeichnung ist insofern etwas irreführend.
Ich nähe selten Indie Pattern, fast nie, und wenn, dann erhoffe mir, durch die Anleitung neue Erkenntnisse. Der Schnitt war schnell runtergeladen, Montag Abend ging die A0 Datei zum Plotten und Mittwoch lagen die ausgedruckten Teile in meinem Briefkasten, ein langes Wochenende mit Feiertag lag vor mir. Die Fertigmaße des Kleides sind riesig, durch 2 hintere Falten wird sehr viel Weite geschaffen, insofern habe ich mich für Größe 40 entschieden (meine Brustmaße hätten eine 42 ergeben), ich wollte kein Zelt, sondern ein gerades Kleid. Außerdem habe ich das Kleid um 15 cm verlängert (das Modell ist für 165 cm große Frauen, ich bin 176 cm).
Es war - wie zu erwarten - nicht möglich, die Teile auf meinem vorgesehenen Stoff zu platzieren. Es fehlte nicht viel, aber ich hätte Abstriche in der Länge machen müssen und das wollte ich nicht. Also habe ich einen anderen, haptisch identischen, etwas festeren Stoff herausgekramt. Vor einem Jahr beim Stoffverkauf von Dorothee Schumacher für ein anderes Schnittmuster gekauft. Beide Stoffe haben einen leichten Glanz, zur Zusammensetzung kann ich nur sagen, dass die Brennprobe auch bei dem Schumacherstoff auf Triacetat hinauslief, vielleicht ist aber auch noch etwas anderes beigemischt. Beide Stoffe fühlen sich toll an, fast seidenartig, der Stoff raschelt und knittert allerdings stark.
Zum Nähen habe ich mich für die Microtexnadel entschieden, da die Nadeln bleibende Löcher produzierten. Verwendet habe ich Seidengarn, das es im Abverkauf von Karstadt reduziert gab.
Gestolpert bin ich beim Zuschnitt über den Ärmel, er kam mir definitiv kürzer vor als die Bildern aus dem Internet suggerierten. Ich habe ihn sicherheitshalber 10 cm verlängert (später wieder 4 cm gekürzt). Dann ging es los, als ich mit allen Taschen und Ziersteppereien fertig war, kam der Kragen. Ich bemerkte erstmals, dass nie von Vlieseline gesprochen wurde. Die habe ich dann entgegen der Anleitung doch in den Kragen, die Manschetten und die vordere Knopfleiste eingebügelt (für die Taschenklappen war es zu spät). Anfangs wurde in der Anleitung jedes Mal geschrieben, wie welche Naht gebügelt wird, der Kragen wurde nicht mehr gebügelt und auch danach fehlte jeglicher Bügelhinweis in der Anleitung. Überhaupt der Kragen. Er passte nicht wirklich gut zusammen, ich habe getrennt und neu genäht und irgendwie dachte ich, als alles einigermaßen fertig war, komisch, so einen Kragen habe ich schon mal mit guten Ergebnis bei der Mimi Bluse von Tilly and the Buttons genäht. Ich habe die Anleitungen allerdings zu spät abgeglichen. Die Reihenfolge ist komplett anders und die von Tilly führt automatisch zu einem saubereren Ergebnis, weil in einem Rutsch durchgenäht wird. Bei Danach habe ich mich nicht mehr so akribisch an der Anleitung orientiert. Auch die Manschetten im Nahtschatten angenäht, das hätte ich auch bei der inneren Passe machen können, die ist von Hand angenäht.
Da die Ärmel schon im Schnittmuster nicht so waren wie ich sie mir vorgestellt hatte, prüfte ich auch die Armkugel und die Armlöcher, sie wichen von meinem Grundschnitt ab. Die Anprobe des fast fertigen Kleides ohne Ärmel ergab, dass ich mich eingeengt fühlte. Ich habe also nachträglich die Armlöcher und die Kugel geändert, was aufgrund meines großzügigen Zuschnitts (1,5 cm Nahtzugabe) unproblematisch war.
An den Seiten sind Schlitze ergänzt, ganz gerade, mit Paspel hinterlegt, der Fahrradtauglichkeitstest steht noch aus, aber ich bin zuversichtlich. Ich hatte noch überlegt, eine Rundung in die Saumkante einzubauen, habe es aber gelassen. Auf der Rückseite ist ein außen aufgenähter Aufhänger (wie bei dem Saint Shirt von Ann Ringstrand). Von den 3 m vorhandenem Stoff habe ich ca. 2,7 m gebraucht, aus den Resten wurde noch ein Bindeband, das mit dem letzten meiner 8 Knöpfe geschlossen wird. Ich mag das Kleid mit und ohne Bindeband und habe Schwierigkeiten zu entscheiden, was besser ist.
Schlussendlich fiel mir noch ein, dass ich bei Constanze auf der Minipressenmesse schöne Label gekauft habe. Eines schmückt das Kleid nun von innen.
Das Kleid trägt sich extrem luftig und leicht, ein perfektes Sommerkleid. Es hat mich einige Nerven gekostet. Mit dem Ergebnis bin ich jedoch mehr als zufrieden.
Kosten: Garn: 4,70 Euro, Knöpfe: 1,60 Euro, Stoff: ca. 40 - 50 Euro
Schwierigkeitsgrad: machbar, wenn man von der Anleitung abweicht, kann man den Kragen viel einfacher annähen und sich Arbeit sparen, die Passform hinsichtlich Schulter, Ärmel, Gesamtgröße bei mir änderungsintensiv. Überhaupt war ich von der Anleitung des gekauften Schnittmusters enttäuscht.
Zeitaufwand: Insgesamt eine Woche immer wieder genäht, also für meine Verhältnisse reichlich, viele Ziernähte, die Spaß machen, viel Recherche zu Variationen und Anpassung (gewünscht und notwendig), Ärger über die Anleitung, dann lieber eine dürftige Anleitung, dann denke ich auch gleich von Anfang an nach und mit.
Zur Ergänzung noch Aufnahmen von der Rückseite mit und ohne Gürtel. Die aufgesetzte Tasche ist schwer zu erkennen und könnte für meine Körpergröße etwas tiefer platziert sein. Über Quer-, Längs- und sonstige Faltenwürfe sehe ich hinweg, der Stoff mit Stand betont sie sehr, aber die Bewegungsfreiheit ist gewährleistet, das ist mir sehr wichtig.
Und eine Frontalaufnahme mit Gürtel:
Abschließend Detailaufnahmen von dem Aufhänger, den diversen Taschen, dem Abschluss der vorderen Knopfleiste, die in einer Falte endet und man kann ein wenig besser die schönen Metallknöpfe von Annette Görtz erkennen. Grüße aus Frankfurt, Anja
Review im November 24:
Obwohl ich mich anfangs viel über das Nähen geärgert habe, ist das Kleid sehr, sehr viel in den Sommern 23 und 24 getragen worden - und wird es auch weiterhin bis es auseinanderfällt, vermute ich. Der Stoff ist so toll, der Schnitt mit seinen Besonderheiten ebenfalls, die Farbe der Knüller. Love it.