Mittwoch, 27. September 2023

LV Dream und Gedanken zum Logowahn

Zufällig bin ich vor meinem Pariswochenende auf das Louis Vuitton Museum gestoßen. Davon hatte ich bisher nicht gehört und da ich diesmal noch Zeit hatte, habe ich ein Zeitfenster gebucht. Zentral gelegen zwischen Pont Neuf und Samaritaine, da kommt man immer irgendwann vorbei. Das Buchen des Fensters wäre nicht nötig gewesen, man kann auch noch direkt vor dem Hereingehen den Code bekommen. Es war angenehm leer - ganz im Gegensatz zu allen anderen Orten an diesem Sonntag in Paris. Ich hätte sogar an einer Führung (leider auf Französisch, aber bestimmt sehr interessant) teilnehmen können, alles gratis. Im Prinzip handelt es sich um eine abgespeckte und kleinere Version der Galerie Dior. Aber nicht uninteressant. Und für mich persönlich angenehmer, weil ich die Galerie Dior als überfrachtet erlebt habe, hier hingegen weniger Exponate, dennoch fokussiert auf das Wichtige.

Es beginnt mit einer Reise in die Vergangenheit. Alte Taschen/Koffer neben neuen, die teilweise die absolut gleiche Form haben. Oder aus dem gleichen Leder hergestellt sind, unten alte Koffer, neue Handtasche mit Tieren bedruckt. Ich lerne, dass eine Marke doch ihren Traditionen irgendwo treu bleibt, das war ja auch bei Dior ähnlich.


In einem anderen Raum werden ikonische Taschen vorgestellt. Ich kannte bisher nicht viele Modelle, irgendwie sehen die Taschen, die ich auf der Straße von LV sehe, alle gleich aus, der Logoprint dominiert. Aber es gibt eine breite Vielfalt. Zu den Verkaufszahlen gab es keine Informationen, vielleicht sind einzelne Modelle auch nur in kleinen Stückzahlen produziert worden. Und die meisten Leute kaufen eine Standardtasche, auf der das Logo gut sichtbar ist.


Louis Vuitton hat auch mit Künstlern zusammen gearbeitet. Dabei wurde der Taschenschnitt beibehalten, das Leder aber verfremdet, teils mit, teils ohne Logo. Leider habe ich vergessen, wie diese ikonische Tasche heißt, die Gestaltung hätte man mit der entsprechenden Idee leicht kopieren können.


Oben das gleiche Modell in weiteren Ausführungen, es gab noch 2 weitere Vitrinen derselben Tasche aus verschiedenen Zeiten und mit verschiedenen Kooperationen.


Louis Vuitton hat auch Reisebetten hergestellt. Ein uraltes Kofferbett steht neben einem neuen, vermutlich sündhaft teuren Feldbett (oben). In 3 weiteren Ausstellungsräumen kommen die Kleidungsstücke, sortiert nach verschiedenen Designern, oftmals in Kooperation. Da Louis Vuitton erst in der neueren Zeit angefangen hat (ab 1997), Kleidung zu verkaufen, sind die Modelle eher modern im Vergleich zu Dior. Ab und zu mit Logoprint, aber nicht so dominant wie im Bereich der Lederwaren.


Oben die in Frankfurt von jungen Männern gerne genutzte, wir nennen sie, "Dealertasche". Und aufgrund dieser Tasche und der Klientel, die sie trägt bzw. den jungen Frauen, die alle mit gleichen LV Taschen herumlaufen (in Kopie?) ist auch meine Assoziation bei LV eher negativ behaftet. Das hat sich durch die Ausstellung geändert. Die Vielfalt an Taschendesigns, an Kooperationen mit Künstlern und - siehe unten - an bemalten Tücher ist beeindruckend.


Bevor man LV Dream verlässt, kann man auf die Toilette gehen. Die ist etwas versteckt hinter einem Cafe (mit Warteschlange) und in einem, ich nenne es, "Fanshop". Dort gibt es Schokolade für 15 Euro und eine Blumenampel für 18000 Euro. Dazwischen sind alle Preise für nützlichen, aber überwiegend unnützen Kram vertreten. Die Hanteln kosten schlappe 2100 Euro, ein Surfbrett ist für 10300 Euro erhältlich. In dem Laden und dem Cafe war es richtig voll, ganz im Gegensatz zur Ausstellung. Vorwiegend Asiaten und andere Touristen kaufen Kleinkram und Taschen, lassen sich selbst bei den Pralinen noch eine weitere kleine Papiertüte geben. Man muss ja zeigen, wer man ist. Das Geschehen in dem Laden, ich habe mich ein wenig auf einer Sitzbank mit Kissen ausgeruht, ist kurios zu beobachten. Die Leute sehen nicht so aus, als ob sie soviel Geld haben. Ich frage mich, ob die, von denen ich in Frankfurt immer denke, dass sie Fälschungen tragen, vielleicht doch ein Original haben?
Schon in den 80er Jahren gab es Handtaschen, insbesondere so eine Beuteltasche, die oben geschnürt wird (Modell Papillon), auf den Straßen in Italien. Tatsächlich habe ich mir vor der Stazione Termini meine erste Handtasche gekauft, Louis Vuitton gefälscht für umgerechnet 4 DM (runtergehandelt natürlich), immerhin Lederschultergurt, gut eingenähter Reißverschluss, der Rest Plastik, irgendwann landete sie im Müll. Ersatz kam her, keine Marke, aber echtes Leder (auch von italienischen Märkten). Alle Mädchen, die ich kannte, sind damals mit diesen Fälschungen herum gelaufen, in Italien gab es auch Fendi (eher für Omas) und Gucci (auch für ältere Damen). Am häufigsten wurde aber Vuitton verkauft. Ich erinnere mich, dass dann in den späteren 80er Jahren und ganz besonders in den 90er Jahren den Fälschungen der Kampf angesagt wurde. Die Straßenhändler (meist Schwarzafrikaner) boten ihren Kram auf riesigen Laken an, um sie, wenn die Polizei anrückte, schnell zusammen zu falten und zu verschwinden. Seit ganz vielen Jahren habe ich in den italienischen Innenstädten diese Händler nicht mehr gesehen. Aber man soll in anderen Ländern (Türkei?) noch gut Fälschungen kaufen können, teils sehr gute Fälschungen, die auch teuer sind. Also mehr als die heute 2 Euro, die ich damals bezahlt habe.

Ich habe gelesen, dass Louis Vuitton eigentlich durch den Aufdruck des Logos beabsichtigte, die Kopien zu vermeiden. Doch genau das Gegenteil passierte. Die Tasche galt/gilt als Statussymbol und haufenweise Plagiate landen auf dem Markt. Mittlerweile geht der Konzern radikal gegen die Fälscher vor. Dennoch ist es anscheinend ein Fass ohne Boden.

Ich habe mich beim Besuch der Ausstellung an meine Tasche von damals erinnert, mir sagte die Marke Louis Vuitton sicher nichts, ich kam vom Land, aber da ziemlich viele Leute diese auffällige Tasche mit Logoprint trugen, wollte ich vermutlich dazu gehören. Ich war damals Au-pair in Italien. Zurück in Deutschland kannte ich ein "reiches" Mädchen mit einer Louis Vuitton Tasche (vermutlich echt, aber den Unterschied habe ich nicht gesehen, für Marken habe ich mich nicht interessiert, ich glaube, es hat sich niemand dafür interessiert). 

Und seit irgendwann, ich weiß nicht genau seit wann, hat es mit sozialen Medien zu tun, hat es damit zu tun, dass das verfügbare Einkommen gestiegen ist, ist es in bestimmten Kreisen wichtig, die richtige Marke zu haben. Als meine Tochter im Kindergarten war, haben Bekannte, deren Kinder in Westend Schulen gingen, das thematisiert. Abercrombie&Fitch, Hollister, Hilfiger, Nike, später Apple usw. Wer nicht die richtige Marke trug, war ein Außenseiter. Die Eltern haben bereitwillig bezahlt. Oder geschimpft und bedauert, dass ihr Kind nicht in einem anderen Stadtbezirk zur Schule geht. Irgendwann war es an allen Schulen gleich. Die jungen Leute (und die danach geborenen) sind inzwischen zwischen 20 und 30 kaufen Marken. Das ist die Generation, die den Fanshop von Louis Vuitton bevölkerte.

Warum ist das so? Erinnert sich noch jemand an die No Logo Bewegung und das Buch von Naomi Klein, Anfang der Nullerjahre war das ungefähr. Geändert hat sich dadurch leider irgendwie nichts, im Gegenteil. Ein wie ich finde, sehr interessantes Aufgabenfeld für Soziologen. Hier ein persönlich geschriebener Artikel dazu, kann ich voll und ganz so unterschreiben. Habe ansonsten im Netz wenig Kritisches gefunden.

Was hat das Ganze jetzt mit Nähen zu tun, schließlich ist das hier ein Nähblog? In letzter Zeit werden mir bei Instagram immer wieder Stoffverkäufer hochgespielt, die gezielt Werbung mit Markenstoffen machen. Deadstock, das ist gut für das Gewissen, weil Müllvermeidung. Aber der Name und ggf. auch noch ein Logoprint auf dem Stoff oder sogar der ganze Stoff mit Logoprint übersät, hmmm, das Geschäft scheint zu boomen. Bei einer dieser Verkäuferinnen wird immer wieder der Name der Marke hervorgehoben, es geht kaum um die Stoffzusammensetzung, Qualität, Gewicht, ist es jetzt bei uns, die wir nähen, auch schon so, dass nicht unser selbst genähtes Kleidungsstück wichtig ist, sondern wir es mit einem Logo von einer der "angesagten" Marken schmücken müssen. Ich finde, das ist eine traurige Entwicklung. Sind wir, die wir nähen, nicht eigentlich unsere eigenen Designer, indem wir Stoff, Schnitt, Farbe miteinander auf einzigartige Weise verbinden. Wir haben es doch nicht nötig mit Dior, Gucci, Fendi zu konkurrieren.

Ich habe bei The Fabric Sales auch schon Markenstoffe gekauft, aber dort erfahre ich gezielt, um was für einen Stoff es sich handelt, anhand des Gewichts und der Zusammensetzung bekomme ich einen Eindruck, letztendlich ist die Qualität entscheidend. Die ist ziemlich gut (auch wenn die Farben am Bildschirm abweichen können), auch bei den Stoffen, deren Marke nicht benannt ist. Bei The Fabric Sales sind die Preise absolut niedrig für das, was ich erhalte (ähnlich auch im Outlet von Annette Görtz oder Dorothee Schumacher und anderen Herstellern), Deadstock ist eigentlich Abfall. Der Stoffschrottplatz in Münster ist dafür ein Beispiel, auch dort finden sich Markenstoffe. Der Inhaber ist ein Verwerter. Bei den Stoffhändlerinnen in Instagram wird - so scheint mir - ziemlich aufgeschlagen, wenn es sich um Haute Couture insbesondere mit Logo handelt (dabei werden auch Stoffe gefälscht, insbesondere die mit Logo, der italienische Zoll beschlagnahmt immer wieder Fälschungen, hier 2021). Trotzdem wird gekauft wie verrückt. Wir sind doch empfänglicher für Statussymbole als wir denken. Und wir wollen das, was die anderen haben.

Mit diesen Gedanken und einigen wenigen Stoffen im Gepäck endete mein Kurzwochenende in Paris. Da ist schon der Gare de l'Est.


Kommentare willkommen.

Viele Grüße, Anja


Dienstag, 26. September 2023

Galerie Dior

Letztes Wochenende war ich in Paris. So ein Besuch bedarf immer einer gewissen Vorbereitung, denn etliche Museen muss man buchen, um ohne große Wartezeit hinein zu kommen. Ich finde das recht umständlich, weil damit Flexibilität und Spontaneität verloren gehen. Außerdem weiß ich manchmal nicht genau, wie lange ich von A nach B brauche. Das beste Fortbewegungsmittel in Paris ist m.E. das Fahrrad (Velib Tagespass 5 Euro, man kann unendlich oft bis zu 30 Minuten radeln). Die Galerie Dior, ein Museum von und über Dior, ist im Dior Stammhaus an der Avenue Montaigne, wo sich die alteingesessenen Haute Couture Häuser befinden. Tatsächlich gab es am Einlass auch eine Schlange für Damen (Herren habe ich quasi nicht gesehen) ohne Ticket, die war aber ziemlich lang, wer ein Ticket aus dem Vorverkauf hatte wurde sehr schnell herein gelassen. Sämtliche Informationen rund um den Besuch finden sich in der Verlinkung. Es gibt auch ein Restaurant, dort war ich nicht.


Das ganze Haus ist verwinkelt, aber der Rundgang ist klar beschildert. Die Besucher drängen sich im ersten Raum mit den Fotos und Berichten zu Diors Jugend und Werdegang, danach verteilt es sich angenehm über die Räume und alle Exponate sind super zu sehen. Alles ist sehr für die Sinne dargestellt, tolle Lichteffekte, schöne Dekoration, Filme, Fotos im Hintergrund, angenehme Musik, manchmal auch ein passendes Parfüm von Dior. In der Form habe ich eine Ausstellung noch nicht erlebt. Das Atelier von früher (nachgebaut) kann man von oben betrachten.


Abendkleider (viel zu viele) werden in einem großen hohen Raum, der ständig sein Licht mit Funkeln, Glitzern verändert, präsentiert. Wie im Theater, es gibt Sitzplätze, um auszuruhen.


Am Ende schreitet man das berühmte Treppenhaus herunter, auf dem früher die Modelle gezeigt wurden (nachgebaut). Dahinter ist eine riesige Vitrine, deren verkleinerte Objekte (Handtaschen, Schuhe, Kleider, Flakons) entsprechend des Farbkreises von oben nach unten aufgebaut sind. Dort werden Unmengen von Selfies gemacht.
Zur Ausstellung selbst: manchmal werden Kleider aus verschiedenen Epochen nebeneinander präsentiert. Oft haben Designer alte Ideen aus den frühen Jahren wieder aufgegriffen: Blumenmotive, Schleifen, Tellerrock usw. Die Ausstellung ist nicht chronologisch, tatsächlich hatte ich das Gefühl, dass auch die neuen Sachen noch so sind wie das, was in den 50er Jahren kreiert wurde. Sehr interessant der Raum mit den Skizzen, den Probeentwürfen und einer Dame, die Techniken erklärte: handgenähte Knopflöcher und das Innenleben einer Jacke. Dort durfte man anfassen und Fragen stellen. Leider ist mein Französisch nicht so, dass ich alles verstanden habe. Dieser Raum hat mich am meisten fasziniert.
Es gab auch Fotos und daneben die Originale, Erläuterungen zur Zusammenarbeit mit Künstlern und Originale von deren Arbeiten. Gezeigt wurde der Schritt von der Haute Couture zum Pret-a-porter in den 60er Jahren mit der Entwicklung der Miss Dior Linie für jüngere Kundschaft, die modern sein wollte. Dazu habe ich kein Foto, die Modelle gefielen mir überhaupt nicht, in der Zeit wurde in London viel interessanter gestaltet.
Unten ist ein Bustier mit dazugehörigem Mantel. Der Stoff ist einfach der Hammer, leider kommt das auf dem Bild nicht raus, Dreidimensionale Blüten in mehreren Pastelltönen, wahnsinnig schön. Bei den wertvollen Materialien waren die Räume stark abgedunkelt. Dennoch fand ich die Ausleuchtung besser als bei der Chanel Ausstellung im Palais Galliera.




Natürlich gab es auch Schuhe und Flakons und Handtaschen. Oben ein sehr extravagantes Paar. Das Museum ist riesig, die Informationen sind ausreichend, irgendwann kann man sowieso nicht mehr alles lesen und verarbeiten, leider. Mein Besuch dauerte ca. 1.45 h. Ich hätte mir ein bisschen mehr Chronologie gewünscht, vor allem bei den späteren Chefdesignern, irgendwie war dann doch alles gleich (außer bei Yves Saint Laurent, aber der war auch nur kurz da), vielleicht sollte das auch so sein wegen des Wiedererkennungswerts. Auf jeden Fall lohnt es sich, die Galerie Dior zu besuchen.

Auch wenn ich persönlich der Kleidung und den Handtaschen von Dior eher gespalten gegenüber stehe. Beim Schaufensterbummel in Frankfurt habe ich eigentlich noch nie irgendwas richtig Tolles entdeckt. Aber das ist ja auch persönlicher Geschmack/Stil. Mit seinem New Look (zumindest weiß ich nun, wer den Begriff geprägt hat) mit einengender Korsettwirkung hat er m.E. nichts Neues geschaffen, sondern Mode aus früheren Jahrhunderten wiederholt. Natürlich laden die Kleider und Stoffe zum Träumen ein und in der entsprechenden Epoche zum Vergessen der Zeiten davor. Die Verarbeitung ist gigantisch. Kopien von Taschen mit Logo und T.-Shirts mit Logo habe ich auf einem Straßenmarkt in Neuilly zufällig entdeckt. Warum ist es den Menschen so wichtig, etwas von einer bestimmten Marke zu haben?

Dazu plane ich noch einen Blogpost in den nächsten Tagen, denn eine Marke wird noch häufiger kopiert und begegnete mir schon auf meinen ersten Italienreisen auf den Straßenmärkten. Es gibt dazu auch ein Museum in Paris: LV Dream.

Viele Grüße aus Frankfurt, Anja


Donnerstag, 14. September 2023

Grasser 959

Da ist es fertig geworden, schneller als beim ersten "Versuch", dem Probemodell. Der schwere Sweat von The Fabric Sales weicht deutlich von dem Probewollstoff ab, das ganze Kleid ist wirklich winterfest, für verschneite kalte Tage. Insofern hadere ich im Moment ein wenig mit dem Ergebnis, ich hoffe, dass es sich ändern wird.


Im Vergleich zu Nummer 1 habe ich die Ärmel ca. 4 cm verlängert, jetzt passt mein Daumen gut durch das Daumenloch. Ich habe Seitennahttaschen ergänzt, es war genug Stoff da, sie sitzen etwas tief, weil ich sie unterhalb des grünen Einsatzes haben wollte, das ist Absicht. Ich habe das Oberteil um 3 cm verlängert und die Brustabnäher etwas verkleinert und um 3 cm tiefer gesetzt. Der schwere weniger elastische Stoff sitzt allerdings an der Schulter nicht gut, eigentlich müssten dort an jeder Seite 1 - 1,5 cm mehr sein, beim Probemodell fiel das nicht so auf, weil es sich eben mehr dehnte. So toll die Anleitung dieses Grasser Schnittmusters ist, so wenig kann ich mich mit der Passform anfreunden, einfach mal so an einigen Stellen größer machen, finde ich gewagt, weil ich nur eine Größe habe. Es war schon schwierig genug, sich für diese Größe zu entscheiden. Ich glaube nicht, dass ich noch oft Grasser Schnitte nähen werde. Kurioserweise komme ich mit Burda gut zurecht.


Unzufrieden bin ich auch mit dem Rollkragen, geschlossen drückt er mich ein, das war bei Nummer 1 auch so, ich weiß allerdings nicht genau, was ich hätte ändern können, hinten ist zu wenig Stoff, dann muss der ganze Ausschnitt geändert werden. Natürlich hätte ich verschiedene Probekrägen nähen können, aber das war ja auch nicht mein Hauptproblem bei Nummer 1. 

Wie ihr seht, habe ich auch den Reißverschluss unten wieder etwas murksig eingenäht. Das war bei Nummer 1 auch so, ich kriege es einfach nicht gut hin. Ich habe auch keine Lust, den Reißverschluss erneut heraus zu trennen. Immerhin ist der Stoff der innen dagegen genäht ist, wesentlich besser vernäht.

Diesmal habe ich beim Rockansatz auf die genaue Passung beim Muster geachtet (zumal ich auch die Taille angesichts des weniger elastischen Stoffes etwas verbreitert habe). Warum diesmal das Muster am Ärmel nicht passt, erschließt sich mir nicht, ich hätte das obere blaue Stoffstück vergrößern müssen, aber tatsächlich habe ich diesen Fehler erst auf den Fotos bemerkt.

Ebenfalls gibt es genau wie bei Nummer 1 ein Passungsproblem am Einschnitt des Reißverschlusses. Bei Nummer 1 dachte ich, der Fehler liegt bei mir. Inzwischen ist mir klar, der Fehler liegt im Schnittmuster. Eigentlich müssten die Linien am Einschnitt rechtwinklig verlaufen, tun sie nicht, also kann es mit eingeklapptem Stoff nicht mehr linientreu verlaufen. Auf Instagram sieht man Kleider, wo das Problem auch sichtbar ist. Beim Modell in der Grasser Vorschau allerdings nicht. Ich überlege tatsächlich, ob ich Grasser anschreibe und auf das Problem hinweise. Ich finde, dass an dieser so sichtbaren Stelle die Farben in ihrem Verlauf weiterfließen müssten. Das stört mich persönlich mehr als die eine schiefe Naht beim Reißverschluss.

Mehr gibt es nicht zu bekritteln. Warum ich diesmal so negativ drauf bin, ich weiß nicht. Vielleicht brauche ich auch erstmal wieder eine Näh- und Inspirationspause. In letzter Zeit gab es mehr Misserfolge als Erfolge (das Calvari Dress mit unfassbar vielen Änderungen, der Named Mantel, der zu eng ist und dieses Kleid, das auch trotz diverser Änderungen suboptimal ausfällt). Alles Indie Schnittmuster, an die ich höhere Erwartungen als an Burda knüpfe. Also vermutlich hilft auch ein Realitätscheck mit meinen Erwartungen.

Zusammenfassung:

Zeitaufwand: Zuschnitt 1,5 Stunden, Nähen 6 - 8 Stunden

Schwierigkeit: top Anleitung, daher gut machbar, vielleicht mehr Sorgfalt/Genauigkeit nötig

Kosten: 42 Euro Stoff, Schnitt, Garn vorhanden, ich habe noch 0,5 m einer anderen Farbe übrig, weil ich mir bei der Bestellung nicht sicher war, ob ich Oliv oder Rot als Kontrastfarbe wähle. Das Rot war dann sehr knallig, was auf den Fotos im Online Store nicht so rauskam.

Viele Grüße, Anja

Mittwoch, 6. September 2023

Halbtellerrock - vor einem Monat gesehen und ganz spontan genäht

Letzten Me Made Mittwoch hat Mema diesen Rock nachgenäht. Was für ein tolles Stück. Mema bemängelte, dass er bei ihr schief war, das fand ich eher interessant. Die Konstruktion ist ein halber Teller und unten ist eine gerade Fransenborte angenäht. Das kann man auf der verlinkten Seite des Herstellers ziemlich gut erkennen. Am Tag zuvor war mir genau so ein Stoff begegnet. Ich habe dann den etwas günstigeren im Hauptlager von JP Stoffe in Mörfelden gekauft, denn der Original Chanel Bouclé mit 45 Euro pro Meter aus der Innenstadt-Dependence war mir doch etwas zu teuer. Ich hatte ermittelt, dass ich 2,2 m brauche (abgeschnitten wurden mir 2,6 m). Der Stoff liegt hinreichend breit, so dass ich aus dem "Abfall" an der einen Seite Borte machen kann. In diesem Video und auf dieser Seite wird gezeigt, wie das geht.


Hier mein Stoff, im Lager gab es ein passendes Bündchenband dazu, das habe ich oben an den Bund angenäht. Auch wenn es auf dem Foto nicht so scheint, es passt farblich perfekt. In meinem Fundus habe ich noch Nahtband in gleichem Grünton von Anette Görtz gefunden, das wollte ich statt des Futterstoffs an die Fransenborte nähen, damit sie stabilisiert wird. Ich hoffe, dass das funktioniert, da eine leichte Rundung zu überbrücken ist. Weiter unten erfahrt ihr, warum es dazu nicht mehr gekommen ist.

Taillenweite und Rocklänge waren schnell ausgemessen. Rockumfang unten ebenfalls, so dass ich als Erstes mit dem Zuschnitt bzw. der Bortenherstellung anfangen konnte

Der Halbteller war flott zusammen genäht, oben habe ich einen seitlichen Reißverschluss eingenäht und das Bündchen angenäht. Innen ist alles mit Schrägband versäubert, Aufhänger sind unsichtbar darin befestigt. An der Länge habe ich noch etwas herumgewerkelt. Der Rock war zu lang und etwas sehr schief. Man könnte ihn jetzt säumen und anziehen, aber ich habe mir ja vorgenommen, eine Fransenborte unten anzunähen. 

Davon brauche ich fast 4 m, am Anfang war es interessant, die Fäden heraus zu ribbeln, irgendwann fragte ich mich, ob ich das durchhalte, es wurde zunehmend mühsamer und dauerte, die dünnen Fäden verteilten sich in der Wohnung, ich musste den Fußboden ständig fegen. Aber ich habe eine Reise mit dem Deutschland Ticket unternommen, da ist man lange unterwegs, kann auch nicht immer lesen und so eine Handarbeit ist eine dankbare Abwechslung. Mein Ziel war, mindestens eine ca. 5 cm breite Borte zu haben, mehr - das war mir klar - schaffe ich wahrscheinlich nicht (auch wenn ich Stoff  genug hätte und das Original schätzungsweise 7 cm hat). Glücklicherweise steigerte sich mein Tempo, weil ich erkannte, wo ich vorsichtiger zupfen muss und wo ich längere Fäden auf einmal rausziehen kann. Nochmal würde ich so eine Borte aber nicht anfangen (oder nur, wenn in beiden Richtungen dicke Fäden verwebt sind, denn das würde immens viel Zeit sparen, ich weiß nicht mehr, ob das bei dem nicht gekauften Chanel Boucle der Falle war). Ich habe insgesamt viele U-Bahn und sonstige Bahnfahrten mit Fäden zupfen verbracht, ca. 15 - 20 Stunden:


An irgendeinem Punkt hatte ich dann wirklich keine Lust mehr. Ich war bei etwa 2 cm, an manchen Stellen etwas mehr, an manchen etwas weniger. Jedenfalls habe ich dann beschlossen, die Borte nicht weiter auszufransen, sondern mit etwa 5 cm Abstand an den Halbteller zu nähen. Innen gesichert, gebügelt. Jetzt kann sie gerne von selbst weiter ausfransen, vielleicht habe ich irgendwann Muße, weiter auszufransen. Nach den vielen Stunden wollte ich endlich ein fertiges Kleidungsstück in Händen halten. 

Ich habe etliche olivgrüne, schwarze, anthrazitfarbene Oberteile, die dazu passen, bin sehr begeistert von dem (halb-) fertigen Rock. Vor der weißen Tür sieht man gut, wie weit ich es mit der Borte geschafft habe, ausreichend, damit ein Effekt sichtbar ist.


Am Abend, als ich geraden den Rock fertig hatte, fand die 5th Birthday Party von Alice&Co. Pattern mit dem Schwerpunkt Taschen statt. Da mein Rock wegen Halbteller und seitlichem Reißverschluss keine Tasche hat, kam mir der Gedanke, noch eine Zusatz-Bedarfs-Tasche aus den Stoffresten zu nähen, die gleichzeitig als Gürtel fungiert. Zugeschnitten habe ich schon während der Session und am Folgetag fertig gestellt. Hier das Ergebnis, eine nach oben verlängerte halbkreisförmige Tasche mit Reißverschluss, verstärkt und gefüttert, die auf ein Band, das sich mit 2 alten Perlmuttknöpfen schließt, gefädelt wird:


Ein bisschen Dekokram habe ich an Rock und Tasche angenäht. 


Aber nun zu den Tragefotos, die mir ein bisschen schwer gefallen sind, denn ich habe schon am Vormittag geschwitzt und mich nach der Gassirunde schnell umgezogen, weil es richtig sommerlich warm geworden ist:



Nichtsdestotrotz gefällt der Rock, das Tragegefühl ist angenehm, ein interessanter Look. Ich glaube, dass ich ihn im Herbst ganz oft anziehen werde. Er ließe sich auch drehen, so dass die Streifen nicht im Bogen nach unten drehen, aber gerade so gefällt mir der Rock am besten.

Zusammenfassung:

Zeitaufwand: abgesehen von dem Ausfransen, schnell berechnet, schnell zugeschnitten, schnell genäht.

Schwierigkeit: einschließlich des Ausfransens einfach

Kosten: Stoff und Bündchenband ca. 32 Euro, der Rest aus dem Bestand

Und zu allerletzt, im August ist mein Blog 12 Jahre alt geworden, genauso alt wie unser Hund, der Blog am 18.8. und die Hündin, die in dem Herbstferien erst zu uns kam, am 26.8. Wer hätte damals gedacht, wie sich alles entwickelt. Das Nähen macht immer noch Spaß, damals mehr Kindersachen, heute nur noch Erwachsenensachen, das Bloggen macht auch immer noch Spaß, damals alles neu, Technik, Texte schreiben, umständlich Fotos von der Kamera einfügen (Smartphone kam erst später), heute ab und zu ein Post und unzählig viele nette persönliche Kontakte durch Bloggertreffen.

Verlinkt mit dem Me Made Mittwoch im September, viele Grüße, Anja