Ja, als einen Regenpanzer könnte man meinen neuen Knautschlackregenparka auch bezeichnen. Er hat sehr viel Stand, sozusagen fällt das Material überhaupt nicht, sondern steht. Aber als Regenschutz muss das ja nicht schlecht sein.
Ich habe einen Hund und bereits seit vielen Jahren liebäugele ich mit dem Nähen eines Regenmantels. Ein Schirm ist mir zu unpraktisch. Aber eigentlich regnet es auch nicht so oft in Frankfurt. Eigentlich. Im Moment allerdings ist es anders. Der Bedarf war nie größer als in den ersten Wochen des neuen Jahres, irgendwie 2 Wochen Dauerregen. Der Regenmantel, den ich meist trage, ist noch von meinem verstorbenen Vater, eine gelbe Öljacke (innen blau, kennen die Älteren unter euch, sowas hatte jeder früher). Er ist zwar wasserdicht, aber an diversen Stellen löst sich der gelbe Plastikbelag und den Reißverschluss habe ich auch schon mehrmals unten neu angenäht.
Einen Regenmantel nähen heißt, Farbe, Material, Schnitt selbst bestimmen zu können. Und damit Dinge wie z.B. schlecht sitzende rutschende Kapuzen, einschnürende Bänder am Kinn, Ärmellänge, Taschengröße beeinflussen zu können.
Anfang Januar bekam ich den Newsletter von The Fabric Sales, wo ich schon vor längerer Zeit interessante Regenmantelstoffe gesehen habe. Jedenfalls interessanter als die von Stoff&Stil oder Extremtextil. Mit interessant meine ich insbesondere Farbe, Erscheinungsbild, hinsichtlich der Wasserfestigkeit und Angabe dessen in Wassersäulen gibt es sicher kompetentere Anbieter als The Fabric Sales. Aber ich möchte einen modischen Regenmantel für Gassirunden und keine Outdoorjacke für eine Mehrtageshüttentour.
So kam es zu meiner ersten Bestellung in Belgien. Die hohen Portokosten relativierten sich durch 20% Rabatt wegen Sale. Der Stoff ist schwer, ca. 450 g pro qm, erinnert außen an Knautschlack, ist innen mit hellgrauem Filz beschichtet (alles Plastik). Er sieht in echt genauso aus wie auf dem Foto im Onlineshop. Meine Sendung ließ ein wenig auf sich warten, ich habe nach einer Woche nachgefragt, bekam prompt Antwort und ein paar Tage später erreichte mich das Paket. Eine weitere Bestellung erreichte mich auch einige Tage später, den Service kann ich uneingeschränkt empfehlen. Die Stoffe sind hochwertig und dafür sensationell günstig. Und irgendwie hat man beim Nutzen von Deadstock Stoffen auch das Gefühl etwas Gutes zu tun.
Was man auf den Fotos allerdings nicht sieht, sind genähte Kleidungsstücke aus den Stoffen, es sei denn man recherchiert aufwändig nach Designern, die den Stoff verarbeitet haben, was bei manchen Stoffen möglich ist. Mein Stoff hat ungemein viel Stand. So einen Stoff hatte ich schon mal für einen Mantel gesucht. Kurzzeitig dachte ich, meine Pläne zu ändern, aber ich brauche ja wirklich einen Regenschutz und keinen Hingucker Mantel ohne Kapuze.
Als Schnittmuster wollte ich keine Experimente wagen. Polyanna habe ich schon 3 x für mich genäht, jeweils mit dickem Fleece als Futter, das sollte dann größentechnisch auch für diesen Regenmantelstoff passen. Ich habe die Anzahl der Teilungsnähte reduziert, um weniger Einstichstellen zu produzieren, sämtliche Raffungen weggelassen (so bleibt die A-Linie erhalten) und eine Passe oben ergänzt, um die Schulter zusätzlich zu schützen (die Idee kam mir durch ein schönes Gratis Regenmantelschnittmuster). In einer älteren Burda war auch ein Regenmantel, im wesentlichen identisch mit meinem Schnitt, Druckknöpfe statt Reißverschluss und ein Abnäher im Ärmel. Aber ich wollte mir das Abpausen sparen. Der Abnäher wäre schon gut gewesen. In der Ellbogenbeuge habe ich sehr viel Material. Nachträglich ist da nichts mehr zu machen. Beim Regenspaziergang störte es mich bisher nicht. Aber ein Abnäher gehört in einen anständigen Mantelärmel oder Ober- und Unterärmel. Das macht dann doch den Unterschied eines Anfängerschnittmusters wie Polyanna zu komplexeren Schnitten aus.
Natürlich habe ich mich mit dem Material beschäftigt, keine Stecknadeln benutzt, 2 Microtexnadeln zerbrochen, dann bin ich doch auf eine Universalnadel umgestiegen, die zwar größere Löcher macht, aber das war schon gegen Ende als alle maßgeblichen Nähte genäht waren. Und bis auf einmal am unteren Ende des Reißverschlusses habe ich auf Trennen einer Naht verzichtet. Wenn der Mantel nicht hinreichend wasserdicht ist, werde ich die Nähte noch mit einem Seamgripkleber bearbeiten. Bügeln ist bei meinem Material unmöglich. Alle halbrunden Nähte sind eifrig eingeschnitten, damit sie sich einigermaßen legen.
Am schwierigsten war das Einsetzen des Ärmels. An einer Stelle habe ich leider Material mitgefasst, beim Trennen der Stiche löste sich ein bisschen von dem Plastikbelag. Sieht man hier, wenn man genau schaut:
Das Material ist offenkantig verarbeitet. Am Kapuzenansatz habe ich mit Schrägband aufgehübscht, außerdem sind an einigen Stellen Webbandreste aus früheren Zeiten aufgenäht - mit Regenmotiv.
Hier noch ein Bild von der letzten Naht, am Ende war das dicke und stehende Material nicht einfach unter die Maschine zu bringen:
Die ersten Spaziergänge im Regen sind absolviert. Es ist auch völlig normal, einen solchen Mantel zu tragen, niemand guckt komisch, vielleicht wollen auch alle bei Regen einfach weiter, teils war es auch schon dämmrig. Ich fühle mich wohl in dem Mantel, er wärmt auch ausreichend bei Temperaturen zwischen 4 und 10 Grad, bisher ist er wasserdicht.
Ich glaube allerdings, dass ich aufpassen muss, nicht an Dornen oder Stacheldraht hängen zu bleiben oder von Hunden angesprungen zu werden, die Lackschicht könnte sonst Schaden nehmen, befürchte ich.