Dienstag, 28. Juli 2020

Seidenkleid Burdastyle Titelmodell 07/2020

Nachdem ich mit dem Teststoff mehr oder weniger erfolgreich eine Seidenbluse genäht habe, stand dem nächsten Schritt - dem Nähen eines Sommerkleides aus schönerer Seide - nichts mehr im Wege.

Ich habe mich nochmal im Internet schlau gemacht, um wirklich alle möglichen Fehler und Gedankenlosigkeiten zu vermeiden: spitze, feine, eventuell neue Nadel einsetzen, Geradstichplatte, damit der Stoff nicht eingezogen wird (beim Versäubern auf den Wechsel der Platte achten), Stichlänge, Fadenspannung justieren und Probenaht nähen (auch nach dem Einkräuseln, denn manchmal reagiert meine Maschine mit Zeitverzögerung auf den Wechsel der Oberfadenspannung), feines Nähgarn verwenden (der Gütermann Allesnäher ist ziemlich dick für Seide, ich hatte noch ein feines Garn aus einem Fabrikverkauf in Rheda-Wiedenbrück), saubere Hände, sauberer Arbeitsbereich, beim Zuschnitt Gewichte verwenden (ich habe Flaschen genommen), nur feine Stecknadeln nehmen (oder Klammern, die ich habe, aber noch nie verwendete, gwöhnungbedürftig, mir sind Nadeln letztendlich lieber), viel bügeln, auch vorher die Mittelfalte ausbügeln, einlagig zuschneiden und den Stoff auf eine rutschfeste Unterlage legen (bei mir ein Baumwollstoff) - das ist eine Menge und vielleicht war es noch mehr. Hier der Stoff in der Zuschnittphase:


Ich habe bei der Verarbeitung einen Rollsaum mit dem Säumerfuß genäht, das klappt mittlerweile leidlich gut, an einer Stelle war der Zuschnitt etwas schief, demzufolge der Saum auch, mit dem Gekräusel hinterher sieht man diese Stelle nur, wenn man davon weiß. Die dünne Seide lässt sich jedenfalls besser einrollen als andere Stoffe. Und der Volant war auch gerade, vielleicht macht das auch einen Unterschied zu einem gebogenen Saum.


Im Ärmel und an den Seitennähten habe ich französische Nähte, allerdings etwas breiter als üblich, genäht. Breiter, um wirklich das Ausfransen zu verhindern und damit nicht Stofffitzel noch durchstehen. Ich habe auf das Kürzen vor der zweiten Naht verzichtet, weil ich dabei in der Vergangenheit schon mal in die Naht geschnitten habe. Da die Naht innen liegt ist es mir egal, ob sie 0, 6 oder 1 cm breit ist.


Die Beleginnennaht ist mit Schrägband eingefasst. Das Schrägband ließ sich gut formen, sehr furchtbar und fummelig war das Annähen. Im nachhinein betrachtet wäre es besser gewesen, den Beleg (am Hals) großzügiger zuzuschneiden und umzubügeln und dann ganz von Hand anzunähen. Die Halskante ist auch insgesamt etwas unordentlich. Ich habe ein oder zwei Stellen getrennt und versucht neu zu nähen, bei Seide eine mittelgute Idee. Aber das fällt im Muster glücklicherweise alles nicht auf. Die unordentlichen Stellen sind da, wo die geraffte Schulter vom Ärmel auf den Beleg trifft und da ist sowieso ziemlich viel Stoff.


Für das Modell sind laut Burda 3,85 m vorgesehen, ich hatte 3 m bestellt und 3,20 m erhalten (ich finde es immer super, wenn nicht so geizig abgeschnitten wird). Da ich den Volant quer und nicht längs zum Fadenlauf zuschneiden wollte (damit auf 15 cm Weite verzichtet habe), sollte das in jedem Fall reichen. Außerdem wollte ich kürzere Ärmel (ich habe 5 cm gekürzt, besser hätte ich 10 cm genommen, jetzt rutschen sie leider genau in den Ellbogen, wenn ich die Arme hebe). Es blieb dann auch genug Stoff, um Vorder- und Rückenteil 5 cm und den Volant 7 cm zu verlängern, denn mein Kleid sollte wadenlang werden.

Beim Zuschnitt (dem wirklich schwierigsten Teil des ganzen Seidenprojekts) sind die Belege etwas unordentlich geworden (im nachhinein hätte es sich gelohnt, sie nochmal zuzuschneiden, jedenfalls den einen, aber ich war zu faul). Ansonsten hat im wesentlichen alles gut geklappt.


Zwischendurch habe ich noch eine Änderung vorgenommen: die komische Kordel (siehe oben) passte nicht zu dem Material, ich habe ein schmales Band genäht und komplett durch den Tunnel am Hals gezogen, bei Bedarf kann ich so auch den Ausschnitt einkräuseln - ähnlich wie bei dem allseits bekannten Wildergown Kleid.

Erst ganz am Ende habe ich vergessen, die Stichplatte wieder auszutauschen und mir eine Jerseynadel zerbrochen, als ich eine Sporthose kürzen wollte.

Das fertige Kleid lässt sich mit oder ohne Bindegürtel tragen. Mir gefällt beides. Die Familie bevorzugt mit Gürtel.



Wie sich das Kleid im Alltag bewähren wird, darüber berichte ich irgendwann. Es ist für mich kein Festkleid. Mit dem reduzierten Seidenpreis komme ich auf 60 Euro Materialkosten, es wäre schade, mit dem Tragen auf besondere Anlässe wie eine Geburtstagsfeier im August zu warten. Ich habe vor, das Kleid an den kommenden heißen Tagen tragen.

Das Thema Waschen ist auch problematisch. Hier scheiden sich im Internet die Geister: Handwäsche vs. chemische Reinigung. Bei Kaufkleidern aus Seide früher habe ich der chemischen Reinigung vertraut, aber das ist in meiner jetzigen Lebenssituation keine Option. Ich werde es mit Handwäsche versuchen.

Sommergrüße

Anja

6 Kommentare:

  1. Ich bin Team Familie: mit dem Gürtel gefällt es mir noch einen Tick besser. Das Kleid ist bei der Hitze bestimmt eine Wohltat auf der Haut. Wirklich schön ist es geworden. Wenn man Deinen Erfahrungen so liest, scheint Seide beim Nähen eine ziemliche Diva zu sein. Danke fürs Zeigen. Liebe Grüße Manuela

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    1. Vielen Dank, ich bevorzuge tatsächlich die Lösung ohne Gürtel, das ist noch luftiger, Diva stimmt, habe mir gerade, weil es im Laufweg stand, noch Seidenwaschmittel gekauft, LG Anja

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  2. Das Kleid ist wirklich wunderschön geworden! Mir gefällt das Stoffmuster so gut. Und sorgfältige Verarbeitung spricht mich besonders an. Super, wünsche viel Freude an dem Kleid! Regina

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    1. Vielen Dank Regina, es gibt schon ein paar schlampige Stellen, ich hab mich bemüht, LG Anja

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  3. Danke für Deine vielen Verarbeitungstipps für die Seide! Und wunderschön ist Dein Kleid geworden. Ich denke auch, daß Du es unbedingt im Alltag viel tragen solltest. Den genannten Materialpreis finde ich sehr günstig...wenn Du ein Kleid in der gleichen Qualität kaufen würdest, hättest Du sicher ein Vielfaches davon bezahlt.
    Und ich bin auch Team Gürtel!
    LG Barbara

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    1. Jep, ich hatte es heute schon unterwegs bei einem strammen Marsch an, ohne Gürtel, sehr angenehm in der aufkommenden Hitze, wenn die Seide wie oft üblich 60 oder mehr Euro den Meter gekostet hätte, hätte ich mich wahrscheinlich nicht getraut zu nähen, aber selbst da ist der materialpreis ein Bruchteil eines kaufkleides, LG Anja

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