Dienstag, 7. Februar 2023

Manteau en Feutre - aus Wolle statt Filz

Ich wusste - seit dem Kauf des Buches Mon Cours de Style, - dass ich mir den Mantel daraus irgendwann nähen möchte. Es ist kein "normaler" Mantel, der im Herbst oder Winter wärmt, er hat kein Futter, er hat keinen Verschluss, er sieht allerdings speziell aus, vor allem durch die riesigen Ösen. Wenige Schnittteile, wenige Nähte, ein schnelles einfaches Projekt laut Beschreibung.

Als mein Regenmantelstoff kam, dachte ich, wow, der ist perfekt auch für den Mantel, aber ich wollte und brauchte dringend einen  Regenmantel und nichts, das keinen wirklichen Einsatzzweck hat. Eine kleine Umfrage unter den Nähfreundinnen hat diese Annahme bestätigt.

 Da der Sale bei The Fabric Sales noch andauerte und ich mit Service und Qualität mehr als zufrieden war, habe ich nochmal bestellt: einen Wollstoff Double Face, der mir auch für den Mantel aus dem Buch geeignet schien. Es gab mehrere Farbkombinationen, ich habe mich letztendlich für einen roten (mit olivbeiger-senffarbener Rückseite, nicht gerade mein Farbtraum, aber alles andere gefiel mir noch weniger) entschieden. Der Stoff ist haptisch ein Traum, er fällt fließend, was für das Modell nicht perfekt ist, aber ich wollte es ausprobieren.

Nun fehlten mir noch die Riesenösen. Im Buch steht, dass man in einem Spezialgeschäft solche Ösen in den Stoff einarbeiten lassen soll. Keine Ahnung, welches Spezialgeschäft das in Frankfurt gemacht hätte. Es sind Ösen wie ich sie in meinen Gardinen habe. Man kann solche Ösen im Internet kaufen, mindestens 10, aber auch 250 auf einen Schlag. Sie sind leider alle aus Kunststoff in Metalloptik. Die in meinen Gardinen sind aus Metall. Vermutlich hätte das Spezialgeschäft sie auch aus Metall gehabt. So habe ich mit Plastik, das wie Metall aussieht, Vorlieb genommen. Ich habe die kleinste günstige Menge in einer Metalloptik, die mir vom Bild her, gefiel, bestellt. 10 Stück - und man kann eigentlich viele tolle Sachen daraus machen, nicht unbedingt ein Gardinenband.


Erstmal das Schnittmuster aus dem Buch abgenommen, alles gut beschriftet, zur größten Größe, der französischen 42 noch einen Zentimeter zugegeben, 5 cm Länge ergänzt. Die Ärmel so gelassen, sie schienen sehr lang. Sieht man auch auf dem Foto, aber da ich sehr lange Arme habe, wollte ich nicht riskieren, dass sie nachher zu kurz werden. Sie sind zu lang und ich werde sie noch 5 cm kürzen und zusätzlich vermutlich dauerhaft umschlagen. Stoff zugeschnitten, franst nicht, so soll es für dieses Modell sein. Dann ging es daran, Probeösen in Stoffreste einzuarbeiten. Das einzig Aufwändige war das Ausprobieren und letztendlich Berechnen des richtigen Durchmessers. Man kann auch teurere Ösenpakete mit Schablonen bestellen. Ich habe ein Schnapsglas als Schablone zu Hilfe genommen. Der runde Ausschnitt muss genau 4 cm sein, die Ösen sind innen 3,5 cm, außen 5,5 cm. Es brauchte einige Versuche, bis ich es raus hatte, wie man die Öse in den dicken Mantelstoff einsetzt. Aber man kann sie jedes Mal wieder heraus montieren und hat somit unendlich viele Versuche frei.

Wie man sieht, hat das mit der Probeöse irgendwann gut geklappt. Dann ging es ans Nähen.

Die Anleitung ist grundsätzlich auch ohne Französischkenntnisse verständlich, da alles gut bebildert und der Schnitt sehr einfach ist. Es fehlten Markierungen, um den vorderen und hinteren Ärmel zu unterscheiden, aber da muss man ja nur den Raglanärmel mit einem anderen Raglanärmel vergleichen und erkennt den Unterschied. Ansonsten passten alle Teile perfekt zusammen.

Alles wird offenkantig verarbeitet und bis auf den Ärmel rechts auf links genäht. Dies ist dem Filz, der eigentlich verwendet werden soll, geschuldet. Bei meinem Regenmantel hätte ich das auch so machen können, kam aber nicht auf die Idee. Erst als ich am Ende ein Ursprungsmodell für den Stoff von Annemie Verbeke gesehen habe, wurde mir klar, dass bei so schweren, dicken und unbeweglichen Stoffen, die nicht fransen, gerne rechts auf links genäht wird.

Ich habe versucht, die Abstände beim Nähen gleichmäßig zu verteilen (man sieht ja immer nur die eine Stoffseite und es kann - obwohl ordentlich gesteckt - ein bisschen was beim Nähen verrutschen, musste dann auch am Kragen noch überschüssigen Stoff abschneiden, da die Naht nicht 100 % gerade verlief.

Etwas Kopfzerbrechen hat mir noch der Übergang vom Ärmel (rechts auf rechts) zum Hauptteil gemacht (rechts auf links), im Buch wird darauf hingewiesen, dass manche Maschinen zu klein dafür seien, das war jedoch nicht mein Problem. Ich hatte an einer Seite ein kleines Loch an der Bruchstelle, das ich im zweiten Versuch zugenäht habe. Wer schaut schon an diese Stelle unter dem Ärmel?

Als alles fertig war, entdeckte ich, dass mir die eigentlich linke Seite auch gut gefällt. Ich fragte mich, ob es nicht möglich sein sollte, den Mantel zu wenden und je nach Lust und Laune zu tragen. Die linke Seite hatte nur keine Taschen und die fehlten mir schon. Beim nachträglich Aufnähen hätte ich die Nähte der Taschen auf der anderen Mantelseite genau treffen müssen, was mir illusorisch schien. Also musste eine andere Lösung her. Im Prinzip sind beim Tragen der linken Seite die Brustabnäher sichtbar (es gibt ja Designermode, wo das gewollt ist, hätte mich insofern auch nicht gestört), die Ärmelabnäher liegen unter dem umgeklappten Kragen. Ich habe Brusttaschen zugeschnitten, die über den Äbnähern liegen. Damit habe ich quasi 2 Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

Rot ist die eigentlich geplante Außenseite:



Andersrum geht es auch, bitte die Stecknadel an der Brusttasche ignorieren, ich habe vor dem Nähen der Taschen und dem Kürzen der Ärmel flott Fotos gemacht, weil das Licht in der Wohnung außerordentlich gut war.



Ich bin wirklich schwer begeistert von dem neuen Mantel. Ich glaube, dass ich ihn prima bei milderen Temperaturen draußen tragen kann, aber auch jetzt kann ich ihn als Überziehdings drinnen anziehen, wenn die Temperaturen niedrig sind. So eine Art Strickjacken- oder -mantelersatz wie meine karierte Manteljacke, die im Dauereinsatz ist. Oder eine Decke zum Anziehen.

Da noch Stoff da war, habe ich noch einen Bindegürtel genäht, eher geschnitten und um eine Öse gewicketl. Angezogen sieht es nicht wirklich gut aus, es sei denn man drapiert aufwändig am Mantel hin und her, so geht es einigermaßen:


So auf gar keinen Fall, ein Bindegürtel ist in dem Modell auch nicht vorgesehen und das hat seinen Grund:



Kosten: Wollstoff Della, 3 m, es bleiben Reststücke vom Zuschnitt, für die ich schon eine Idee habe, gekauft im Sale mit 20 % Rabatt zzgl. Porto (geteilt durch 3 Stoffe): 53 Euro; Ösen: 5 Euro, Schnittmuster, Garn usw. aus dem Bestand: insgesamt 58 Euro

Zeitaufwand: sehr wenig, ein sehr schnelles Projekt, einige wenige Stunden, die meiste Zeit habe ich mit dem Ausprobieren, wie das mit den Ösen geht, verbracht

Schwierigkeitsgrad: supereinfach, totales Anfängerprojekt, wenn man eine Maschine hat, unter die man gut dicke Stoffe legen kann, der Stoff könnte mehr Griff haben, Filz wäre schon besser gewesen, dann hätte der Mantel soviel Stand wie auf den Fotos im Buch


Beim letzten Nähtreffen wurde darüber diskutiert, inwiefern man darauf achtet, ob die Kleidung, die man anhat, zum Mantelstoff, insbesondere zum Mantelfutter, passt. Ich würde sagen, nur, wenn sie sichtbar ist, dann sollte es harmonieren. Das ist bei diesem Mantel immer der Fall, da er offen getragen wird. Die Kleidung muss für mich daher zur Außenseite und zur Innenseite des Double Face Stoffes passen. Ich werde nun austesten, was mein Kleiderschrank dazu hergibt, bin aber recht zuversichtlich, dass sich genug findet. Die Länge ist dann natürlich auch ein Kriterium, wenn man es genau nimmt, der  Zipfel vom Kleid (übrigens auch aus dem Buch) ist zufällig das gleiche Rot wie der Mantel. 

Viele Grüße, Anja


6 Kommentare:

  1. Ich bin auch schwer begeistert; dank des tollen Double-Face und den riesigen Ösen ein cooler Hingucker.
    Herzliche Grüße von Susanne

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  2. Das ist ein sehr cooler Mantel. Vor solch einer Ösenverarbeitung habe ich mich immer gedrückt, deine sind perfekt geworden. LG Jeanette

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    1. Im Prinzip ist es total einfach, weil man mit der Schere das Loch schneidet, nicht wie bei den Miniösen, wo man ja so drücken muss, was ich bisher einmal gemacht habe und was leider mit dem beigefügten Werkzeug von Prym nicht richtig ging. Übrigens setze ich mittlerweile echt oft deine "Hebamme" ein, vielen Dank nochmal dafür, lg Anja

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  3. Da hast Du nicht zu viel versprochen! Ja, ich bin von Deinem neuen Mantel begeistert, besonders in Rot mag ich ihn sehrsehr gern. Und von dem Buch auch; daraus hast Du ja nun schon mehrere interessante Modelle gezeigt. Ich habe es tatsächlich gebraucht gefunden und mir gerade bestellt. Drück mir die Daumen, dass die Schnittmusterbögen vollständig sind. Lieben Gruß Manuela

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    1. Dann bin ich sehr gespannt, was du daraus machen wirst. Die Origamibluse will ich auch längst machen, vielleicht diesen Sommer. Das Buch hat nur einen Schnittmusterbogen, der wird hoffentlich dabei sein. LG Anja

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