Noch vor meiner Abreise wollte ich auch das kleine Museum für Mode im Palazzo Morando in Milano besichtigen. Es befindet sich in einer Seitenstraße der Via Montenapoleone, wo die teuren und großen Designer ihre Häuser haben. Und wenn ich mir das Ausstellungsplakat außen am Gebäude jetzt anschaue, habe ich tatsächlich den letzten Tag der laufenden Ausstellung erwischt, das war mir gar nicht klar und im nachhinein muss ich sagen, ich habe Glück gehabt. Der Eintritt ist frei, es gibt auch noch andere Säle zu besichtigen. In diesem Post soll es aber nur um die Galtrucco Ausstellung gehen.
Galtrucco sagte mir nichts, aber die Italienerinnen aus unserer Gruppe erinnerten sich, dass ihre Mütter und sie mit ihren Müttern, als sie noch klein waren, in den Stoffläden, die es in allen Metropolen in Italien gab, eingekauft haben. Galtrucco verkaufte hochwertige Stoffe, in Italien gefertigt. Die Kunden waren Couturehäuser, Schneider und später zunehmend Endkundinnen, die nach Schnittmustern ihre Modelle fertigten. Alles begann 1870 mit einem kleinen Laden in der Periferie von Milano, später wurde ein größeres Ladengeschäft in der Stadt eröffnet, erweitert, dazu kamen dann Dependancen in allen größeren Städten in Italien. Ich habe hier die noch aktuelle Website gefunden, die auch Informationen zur Historie liefert, den Wiederaufbau nach den Bombardierungen 1943 und dem großen Brand 1974. Heute hat sich Galtrucco auf Möbel- und Dekorationsstoffe spezialisiert. Der Absatz an Endkunden in Ladengeschäften von hochwertigen Kleiderstoffen funktionierte seit der Jahrtausendwende nicht mehr wirklich.
Die Ausstellung beschäftigte sich einerseits mit den Stoffen und den Kleidern,die daraus genäht wurden, aber auch mit den Themen Werbung, Schaufenstergestaltung, Inneneinrichtung der Ladengeschäfte.
Diese gelben Blumen wurden schon in den 50er Jahren als der Autoverkehr zunahm an den Staatsstraßen aufgestellt - immer mehrere hintereinander, um auf den Stoffverkauf aufmerksam zu machen. Sie waren ca. 170 cm hoch. Mich hat das an die auffälligen Stiere in Spanien erinnert.
Im Hauptgeschäft von Galtrucco in Milano hing dieses Gemälde, es nennt sich "Die Kunst des Kleidernähens".
Unten Skizzen für die Innenarchitektur, großzügige Räume, hohe Decken, breite Treppen, alles sehr stilvoll und nobel. Wie heute die Edelboutiquen der Designer. Die Geschäfte natürlich in den besten Lagen. Zukünftig werde ich darauf einmal achten und mir ein Geschäft anschauen.
Karl Lagerfeld zählte zu den Hauptabnehmern der Galtrucco Stoffe.
Unten Fotos von Schaufensterdekoration mit thematischen Schwerpunkten. 'Das waren noch Zeiten...
In einem anderen Bereich wurden exemplarisch Kleider der 30er bis 70er Jahre gezeigt, teils von Schneiderinnen, die für Endkunden individuell anfertigten, teils von den großen französischen und italienischen Häusern. Einige interessante Modelle habe ich abfotografiert, wo entweder Stoff oder Schnitt oder irgendetwas anderes speziell war.
Auch Herrenmode wurde aus Galtrucco Stoffen geschneidert. Oben sind wir bereits in den 80er Jahren angekommen. Danach liefen die Geschäfte irgendwann nicht mehr so gut und Galtrucco konzentrierte sich auf Wohntextilien.
Soweit mein kleiner Einblick. Und noch eine Ergänzung: die Musterbücher und Modelle aus dem Bereich Kleidung gehören heute zur Clerici Gruppe, das ist die, die auch den Laden New Tess betreibt, an dem wir samstags einkaufen waren (und aus dem der Organza für meine Hemdbluse stammt).
Danke fürs Lesen, herzlichen Gruß
Anja
Falls es mich mal wieder nach Mailand verschlägt, habe ich ja viel anzuschauen… Herzlichen Dank für all Deine Berichte. Hast Du eine Erklärung dafür, warum der Absatz von Bekleidungsstoffen an der Jahrtausendwende einbricht? LG Manuela
AntwortenLöschenIch habe es so verstanden, dass bei Galtrucco die hochwertigen teuren Stoffe nicht mehr in den Ladengeschäften verkauft wurden und deswegen von dieser Linie Abstand genommen wurde, gegen Ende des 20. Jh. drängte ausländische Konkurrenz (vermutlich Asien, aber wohl auch chinesische Hersteller in Italien) auf den Markt, günstigere Preise in einem Segment, in dem anscheinend gleichzeitig weniger Hobbyschneider unterwegs waren. Weniger Hobbyschneider, da in Italien auch Modeketten (Inditex, H&M) die kleinen Boutiquen verdrängten und mit günstigen Kleidungspreisen warben. Der Onlinehandel kam ja erst später. Das wäre so meine Erklärung, die Ketten kamen erst deutlich später als in Deutschland nach Italien. Und irgendwann eroberten ja die Chinesen die italienische Textilindustrie, das begann ab Mitte der 80er Jahre und die Zahl der chinesischen Betriebe mit Billigstoffproduktion (oder auch fake der echten Stoffe) stieg irgendwann explosionsartig an. Mehr Erklärung habe ich auch nicht. Aber wenn ich mir überlege, haben auch irgendwann in dieser Zeit etliche alteingesessene Stoffläden bzw. Kaufhäuser mit Stoffabteilung bei uns zugemacht. LG Anja
LöschenIch war über das späte Datum eher erstaunt und hätte früher vermutet, eben schon in den 80ern in Folge der Freihandelsabkommen... Dank Dir für Deine ausführliche Erklärung. LG Manuela
Löschen