Sonntag, 26. November 2023

Textil- und Nähreise Toskana - Teil 3 - Textilmuseum Prato

Ich plante schon sehr lange, einmal nach Prato zu fahren. Bisher bin ich immer nur durchgefahren. Zu nah liegt Prato an Florenz, weswegen ich doch lieber dorthin gereist bin. Aber seit ich mich für Textiles und Stoffe interessiere, ist Prato auf meiner Reiseliste weit nach oben gerutscht. Ich wusste von Frau H. aus E. (Blog leider nicht mehr auffindbar), dass es ein lohnenswertes Museum gibt und sah bei Instagram, dass zahlreiche StoffverkäuferInnen ihre Deadstock (Designer-) Stoffe in den Hallen in Prato kaufen. Das Museum ist in der ehemaligen Textilfabrik Campolmi untergebracht. Es gibt auch einen Rundgang zu den alten Fabriken, die teils verfallen, teils aufwändig restauriert sind.

Wenn man hier in Deutschland Prato googelt, findet man einen Wikipediaeintrag, der nicht mehr aktuell ist. Es leben zwar weiterhin 60.000 Chinesen in Prato und es gibt eine riesige Chinatown, aber die Arbeitsverhältnisse haben sich geändert. Verhältnisse wie in Bangladesch mag es noch teilweise geben (sonst würden auf den italienischen Wochenmärkten nicht haufenweise günstige Klamotten "Made in Italy" verkauft) aber die Kontrollen sind auch in Italien gestiegen. Außerdem versucht Prato sein Image von Billig- und Massenware hin zu Nachhaltigkeit zu verändern. In der FAZ stand dazu etwas. Einzelne Unternehmen haben die Krise in den 70er Jahren überstanden, andere sind als Start-Ups im Textilbereich neu dazu gekommen. Leider habe ich überwiegend italienische Texte zu dem Thema gefunden. Im Textilmuseum kann man dafür perfekt auch auf Englisch in die lange und bewegende Geschichte der Textilindustrie in Prato eintauchen.

Gezeigt werden alte Webstühle, Drehspindeln, Blechschilder aus den Fabriken, Fotos zu den Arbeitsbedingungen, alte Messehefte mit Stoffmustern usw. In einem Schrank konnte man feste, schwere und dicke Wintermäntel aus Tweed aus den boomenden 50er Jahren anziehen, um ein Gefühl für das Material zu bekommen. Diese Qualität kenne ich heute nicht mehr. Hier ein Einblick in die historische Etage:

Man lief dann weiter ins 20. Jahrhundert, ein Film wurde gezeigt, die Veränderungen, die die Globalisierung mit sich brachte, thematisiert. Der Niedergang mit Arbeitsplatzverlusten in den 70er Jahre, die Übernahme der Nähereien durch die Chinesen und die neueren Versuche, wieder mehr Qualität in die Stadt zu bringen sowie den Nachhaltigkeitgedanken in der Mode in den Fokus zu rücken. Dazu lief auch gerade eine Studentinnengruppe durch das Museum, die einen Sustainability Vortrag bekamen, in den ich kurz reinhörte. Nichts Neues.

Sehr faszinierend fand ich die Ausstellung zu den Materialien im Erdgeschoß. Sämtliche Rohstoffe für Stoffe, natürliche wie künstliche, wurden als Vorprodukt, Zwischenprodukt und fertiges Stoffstück gezeigt. Zum Anfassen und Fühlen, in den Kriegsjahren wurde in Italien viel mit Mais, Hanf, Leinen, Milch experimentiert, um Textilien zu weben, sehr interessant: 



Neben den Naturprodukten wurden auch die chemischen Prozesse erklärt. Nicht zu vergessen: Textile Erzeugnisse für den Bau, Dämmmaterial, Schuhe, was es nicht alles gibt. Färbeprozesse früher und heute, die Nachbearbeitung des Materials, soviele Arbeitsschritte bis der Stoff im Laden bzw. beim Schneider liegt.
Eine Sonderausstellung beschäftigte sich mit der Mode im 19. und 20. Jahrhunderts, nichts Neues, aber eine schöne Wiederauffrischung, jeweils auch Stoffbeispiele, die mir in Italien ziemlich aufwändig für die Zeit im Vergleich zu Deutschland erschienen.



Die zweite Sonderausstellung war dem Kimono gewidmet. Dazu habe ich keinen Bezug, ich war aber von der Farben- und Mustervielfalt völlig erschlagen. Den Schnitt eines Kimonos habe ich dann auch am letzten Tag des Nähkurses verwendet, um eine Jacke zu nähen.



Richtung Ausgang noch eine Wand mit verschiedenen Textilien, alles zum Befühlen.


Dieses Souvenirtaschentücher aus den 50er oder 60er Jahren fand ich sehr schön. Ich glaube, im Schrank meiner Mutter befindet sich sowas aus Österreich und ich erinnere mich an Kindertaschentücher mit ähnlichem Aufdruck. Wo die wohl geblieben sind?


Wenn ihr in der Toskana seid, solltet ihr euch dieses Museum nicht entgehen lassen. Montags geschlossen und im Winter schließt es nachmittags schon um 15 Uhr, was ich nicht auf dem Schirm hatte, aber ich war ja mehrere Tage in Prato (und werde dort sicher nochmal hinfahren, schon wegen der fehlenden Touristen und der ebenfalls tollen Innenstadt, direkt angrenzend gibt es außerdem Wanderberge). Zu weiteren textilen Erlebnissen in Prato berichte ich im nächsten Post. Eine Freundin meiner Tochter studiert in Berlin Fashion Design und hat im Februar eine Studienfahrt dorthin unternommen und mir einige Adressen zukommen lassen.

Viele Grüße, Anja

2 Kommentare:

  1. Das wird auf jeden Fall auf der Urlaubsliste vermerkt!
    Grüße, Tina

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    1. Unbedingt, ich gehe da auch nochmal hin, wenn andere Sonderausstellungen laufen. LG Anja

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