Mittwoch, 22. November 2023

Textil- und Nähreise Toskana - Teil 1 - Ferragamo Museum

Nach einer Window Shopping Runde in der Via Tornabuoni, dem Pendant zu unserer Frankfurter Goethestraße, inspizierte ich an einem verregneten Montagmorgen den Eingang des Ferragamo Museums in Florenz und siehe da, es hatte geöffnet. Der Empfang war sehr freundlich, ich hatte reichlich nasses Gepäck und ein nasses Regencape bei mir, das alles irgendwo untergebracht werden konnte. Ich schreibe das, weil es mir im nächsten Museum an diesem verregneten Tag ganz anders erging und ich das Gefühl hatte, mit meinen Sachen fehl am Platze zu sein und von oben herab behandelt zu werden.

Salvatore Ferragamo, der sein Leben in Shoemaker of Dreams (die Biografie wurde ebenfalls verfilmt) beschreibt, hat den Palazzo Spini, in dem das Museum und das Ladengeschäft sind, erst gemietet und später, als er genug Geld hatte, gekauft. Es finden Sonderausstellungen statt, diese geht noch bis zum November 2024.

Mich haben die Schuhe in der Ausstellung sehr beeindruckt, einen Großteil würde ich heute noch anziehen, obwohl die Modelle teils 90, 80 oder 70 Jahre alt waren. Besonderen Wert hat Ferragamo auf Passform und Bequemlichkeit gelegt, weswegen seine Schuhe sehr erfolgreich waren, er weiter expandieren konnte und nach Jahren in den USA in sein Heimatland zurückkehren konnte.

Neben der Passform (seine orthopädische Bibliothek wurde ebenfalls gezeigt) waren ihm auch ästhetische und künstlerische Aspekte wichtig. Er kreierte immer neue Modelle, experimentierte mit Form, Farbe, Material und schuf so besondere Modelle, die in Hollywood, wo er sein erstes Ladengeschäft eröffnete, schnell Anhänger fanden. Viele Schuhe aus diesen ersten Jahren, wo die Filmindustrie ihren Anfang nahm, sind in der Ausstellung gezeigt, erstaunlich gut erhalten im Übrigen. Die Größen jedoch winzig. Frauen heute leben auf deutlich größerem Fuß.

Die Ausstellung ist in mehrere Abschnitte untergliedert, in einem Raum wurden Schuhe gezeigt, die von Gemälden inspiriert worden sind. In der Ausstellung waren diese jeweils gegenübergestellt, was mir gut gefallen hat, unten Delaunay und Schwitters. 

Ferragamo hat mit Absatzformen experimentiert, Schönheit, Eleganz und Bequemlichkeit sollten sich nicht ausschließen. Er war der Erfinder des flexiblen Keilabsatzes. Des Weiteren hat er neben Leder (damals natürlich auch Krokodil und Fell im Winter) viele unübliche Materialien verwendet, unten z. B. Fischhaut. Verschiedene Färbemethoden wurden auch erklärt.
r hat auch - insbesondere in den Jahren der Wirtschaftskrise - mit Materialien, die in der Natur vorkamen, gearbeitet: Kork, Hanf, Bast, vor allem die Sommermodelle waren oft aufwändig geflochten, wunderschön. Insofern kann man sagen, dass Ferragamo schon in den 30er und 40er Jahren mit nachwachsenden Rohstoffen produziert hat. An diesem Schuh unten sah der Absatz aus, als ob einfach 4 Weinkorken den Absatz bildeten, vielleicht war das so, der Schuh war von 1942.


Den Schuh unten in der Mitte mit dem Schiffsmotiv hat Ferragamo im Zuge seiner Auswanderung kreiert. Er ist mit 16 nach seiner Schumacherausbildung seinem Bruder in die USA gefolgt - damals mit einem Segelschiff.


Werbeplakate, Zeichnungen, Fotos von Schauspielerinnen oder aus Filmszenen und der dazu passende Schuh, Leisten von Garbo, Monroe, Hepburn, Filme, wie in den Ateliers Schuhe hergestellt werden, besondere Einzelstücke (Schuh aus Echtgold) usw. ergänzten die Ausstellung.







Als Ferragamo, der sehr jung in die USA auswanderte, nach Italien zurück kehrte, schenkte er seiner zukünftigen Frau zur Verlobung den o.g. Schuh.

Ein ganz wunderbares Museum, eine umfangreiche, gut kuratierte, informative, übersichtliche Ausstellung. Alle Texte in Englisch und Italienisch, ausgezeichnete Lichtverhältnisse (manchmal ist es ja sehr dunkel in textilen Ausstellungen, aber alle Schuhe waren perfekt ausgeleuchtet), keine Überfüllung, keine Warteschleifen. Ein Genuss.

In der Nachbereitung würde ich gerne das Buch lesen oder den Film sehen, mal schauen, was daraus wird.

Auf bald, Anja

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