Mittwoch, 6. Dezember 2023

Vom Kimono inspirierte Spontanjacke - Me Made Mittwoch im Dezember

Im Textilmuseum in Prato hat mich die Kimonoausstellung sehr fasziniert. Insbesondere konnte man sich die Konstruktion und die Schnitte der Kimonos anschauen, sie sind anders als das, was bei uns oft als Kimono bezeichnet wird.

Hier eine Seitenansicht und eine schräge Vorderansicht, wenn ihr auf die Ärmel und die offenen Stellen daran achtet, seht ihr, was ich meine:


Am Tag vor dem Museumsbesuch habe ich ein Reststück (ca. 130 cm) eines grob gewebten Stoffes mit einer (unten geschlossenen) Fransenkante gekauft. Die andere Webkante war normal. Weich und mollig, tolle Farben, als Tuch, Überwurf, Poncho geeignet. Ich hatte noch keinen Plan, aber bei 20 Euro wollte ich den Stoff nicht im Laden lassen. 


Der Stoff war sehr voluminös, so dass klar war, ich muss ihn im Flugzeug anziehen, unterziehen, zumindest überwerfen. Da ich im Nähkurs mit all meinen geplanten Projekten nach 3 Tagen fertig war, habe ich mich an Tag 4 dem Stoff gewidmet. Ich hatte kein Schnittmuster, dachte an die Kimonos aus der Ausstellung und mir schien die Stoffmenge dafür ausreichend.



Ich habe mit der gesamten Länge gearbeitet und das Stoffstück quer zum Fadenlauf genommen, die Fransenwebkante also unten als Jackenabschluss. Für den Ausschnitt vorne und hinten ein- bzw. abgeschnitten, für die Ärmel habe ich die halbe vorgesehen Ärmelbreite einfach an der ausgemessenen Stelle in die Stoffbahn geschnitten. Die Jacke war dann etwas zu weit, hat sich vermutlich gedehnt, so dass ich hinten noch eine Kellerfalte mittig eingefügt habe. Die Seiten sind eingeschlagen, kein Beleg, alles mit sehr breitem Zickzack vernäht, in dem Muster sieht man den Stich nicht.

Für die Ärmel habe ich an der anderen Langseite mit der Webkante das Stoffstück genommen, das nach der Ermittlung der Jackenlänge übrig war und versucht wie in den Bildern oben am Ärmeleinschnitt etwas überhängen zu lassen. Die Ärmel sind einfache Rechtecke, die Webkante bildet den Abschluss unten. Mein Stoffstück hätte - um die Optik wie in der Ausstellung zu erzielen - breiter sein müssen, aber es hat auch so funktioniert. 

Ich hoffe, die Konstruktion ist einigermaßen verständlich erklärt. Leider habe ich keine Zeichnungen.

Ich habe zum ersten Mal direkt auf dem Zuschneidetisch mit Schneiderkreide und Breitem Winkel gearbeitet, kein Papierschnittmuster, die anderen Kursteilnehmerinnen guckten erst etwas verwundert, aber bei so einem einfachen Schnitt, der quasi nur aus Rechtecken besteht, geht das aus meiner Sicht.

Von zwei weiteren kleinen Rechtecken habe ich nachträglich Taschen aufgesetzt. No Waste. Die zusammen genähte Fransenkante unten habe ich nach einigen Tagen abgeschnitten. Ich bin nämlich mit der Kante ständig hängen geblieben (beim Einsteigen im Flugzeug im Gang mussten mindestens 3 Mal Leute hinter mir helfen, mich aus den seitlichen Armlehnen zu befreien), zuhause wurde es nicht besser. Also weg damit. Aus dem abgeschnittenen Stück ist ein Bindegürtel geworden. Der ist leider nicht mit auf dem Foto und eigentlich verwende ich ihn auch nicht. Unten noch eine Rückansicht und Bilder in Bewegung, die Fransen schwingen wunderbar mit.




Kimonos haben zwar eigentlich einen viel größeren anders geformten und kontrastierenden Bindegürtel, von den Originalen aus der Ausstellung habe ich kein Foto, es ging dort tatsächlich primär um die Kimonos, deren Stoffe und die Mustervielfalt.

Zusammenfassung:

Schwierigkeitsgrad: ganz einfach, ganz schnell

Zeitaufwand: Konstruktion, Zuschnitt, Nähen insgesamt 4 Stunden

Kosten: 20 Euro für den Stoffrest, Nähgarn aus dem Materiallager

Die anderen in Prato und Sesto Fiorentino gekauften Stoffe werde ich vermutlich erst im nächsten Jahr vernähen. Ein Weihnachtskleid brauche ich leider auch nicht, aber ich verfolge den Sew Along.

Verlinkt beim Dezember Me Made Mittwoch. Abschließend möchte ich mich noch beim Team bedanken, das sie jeden Monat den Me Made Mittwoch organisieren, dazu die Sew Alongs, das sind für mich definitiv Highlights im Nähleben. Merci auch an alle Leserinnen, ich freue mich immer über Kommentare, am Me Made Mittwoch sind es immer besonders viele, aber dennoch will ich mir nicht die Posts aufsparen.

Somit ist jetzt auch alles in der letzten Zeit Genähte verbloggt und ich blättere selbst manchmal gerne in den alten Posts, vor allem dann, wenn ich merke, die Kombinationen sind schon alt und immer noch gerne getragen. So, wie heute, wo ich die Jacke mit dem roten Kleid aus 2018 trage, damals hätte ich nicht gedacht, wie vielseitig es sich erweisen wird.

Wunderbare Wintergrüße, ich liebe den Schnee, in den ich hoffentlich morgen nochmal fahre.

Anja





Sonntag, 3. Dezember 2023

M*ssoni Rock zum M*ssoni Sweater wird zum M*ssoni Kleid

Erinnert ihr euch noch an meinen "M*ssoni" oder "wie M*ssoni" Jumpsuit? Mich hat der Stoff nicht losgelassen und als ich ihn im Laden in der Stadt entdeckte, habe ich noch weitere 1,5 m gekauft.

In der 30er Jahre Sequenz des Behind the Seams Clubs ging es um Schnitte für Stoffe im schrägen Fadenlauf. Dabei wurde auch ein schlichter gestreifter Rock von Etro vorgestellt. Das Schnittmuster dafür ist sehr einfach aus dem Grundschnitt zu erstellen, eine verlängerte A-Linie. Ich habe auf das Bündchen verzichtet, der schräge Fadenlauf war bei meinem Häkelstrick nur wichtig, um den Musterverlauf entsprechend zu verwenden. Dabei habe ich ein bisschen mit der Richtung experimentiert und auch damit, die Schnittteile richtig auf den Stoff aufzulegen.


Einen lilafarbenen Reißverschluss hatte ich noch. Das Futter ist weinrot (Venezia aus der Karstadt Auflösung), Seitennahttaschen habe ich eingefügt. Zum ersten Mal habe ich die vordere und hintere Mittelnaht geriehen. Da passte noch alles, beim Einnähen des Reißverschlusses dann nicht mehr, siehe Foto, aber damit kann ich leben. Die Seitennähte treffen nicht perfekt aufeinander, aber das ist wegen der Rundung technisch nicht 100 % machbar, ich hatte kurz überlegt, im Bruch mit Abnäher zuzuschneiden, das hätte allerdings die Stoffmenge nicht hergegeben.



Im Gegensatz zu der Hose-Pulli-Kombination fühle ich mich in dem Kleid recht wohl. Allerdings muss ich ein langärmliges Skiunterhemd darunter tragen, sonst ist mir bei Temperaturen um den Gefrierpunkt wie zur Zeit zu kalt. An den Beinen friere ich nicht so leicht, deswegen kann ich problemlos Röcke bei diesem Wetter tragen.


Zusammenfassung:

Schwierigkeit: ich habe lange getüftelt bis ich verstanden habe, wie ich die Schnittteile auflege, damit es perfekt passt und ich mit dem letztendlich doch etwas knapp bemessenen Stoff hinkomme. Es hat funktioniert, aber wirklich gerade so. Über das ganze Projekt habe ich mehrere Nächte geschlafen, es war für mich nicht einfach, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ich hatte auch überlegt, den Stoff mit nach Italien zu nehmen, aber er war zu voluminös und passte nicht in mein Gepäck.

Zeitaufwand: mindestens 2 Wochen Vorüberlegung, Schnittkonstruktion 30 Minuten, Nähzeit, nicht so lange, aber ich kann es nicht beziffern

Kosten: 20 Euro (Stoff 18 Euro und Futter 2 Euro)

Einen schönen wunderbar verschneiten Sonntag, liebe Grüße, Anja


Donnerstag, 30. November 2023

Pullover aus Burdastyle 10/2018 (Nummer 3)

Am ersten Tag des Nähkurses in der Toskana habe ich den bereits mehrfach genähten Pullover aus Strick aus der Karstadt Auflösung genäht. Von dem Stoff, den ich eigentlich für das Grasser Kleid brauchte, habe ich spontan 2 m gekauft, die Farbe gefiel mir, der Preis war unschlagbar. Ich hatte auch überlegt, ob ich im Kurs gleich auf einer Overlock nähe, wollte dann aber lieber erstmal die normalen Nähmaschinen testen.

Der Pullover ist im Vergleich zu den Vorgängermodellen leicht gekürzt und an der Taille ein wenig eingestellt. Den Kragen habe ich vorsorglich etwas größer zugeschnitten, weil ich beim weinroten Exemplar (weniger dehnbarer Stoff allerdings) immer Schwierigkeiten mit der Brille habe.

So einen Kurzpullover kann man immer brauchen und er lässt sich unendlich vielseitig kombinieren. Ich suche jetzt noch eine farblich passende Strumpfhose. Aber mit schwarz geht es auch. Den Pullover habe ich auch bereits in Italien getragen, für das dortige Wetter passte er besser als hier. Es ist ein dünner Strickmelange für den Übergang.

Das Besondere an dem Pullover ist der Kragen mit Twist, hier trotz Novemberdunkelheit einigermaßen erkennbar:



Auf den Bildern mit dem La Mia Boutique Latzkleid kombiniert. Im nachhinein, wo ich die alten Posts suche und verlinke, finde ich es nach wie vor spannend, zu lesen, was mich damals gestört hat, was ich verändert habe, vergessen habe zu verändern und was mir nicht fehlt (die Taschen im Latzkleid).

Zusammenfassung:

Schwierigkeit: einfach

Zeitaufwand: Zuschnitt 1 Stunde (Schnitt war bereits kopiert), Nähen 3 - 4 Stunden (mit Kaffeepause)

Kosten: 3 Euro, am letzten oder vorletzten Tag gab es 90 % Rabatt auf alle Stoffe und Zutaten, da habe ich auch Stoffe gekauft, die ich nicht wirklich brauchte. Der Strick ist optisch und haptisch dem, den ich für das erste Modell in Grün verwendet habe, sehr ähnlich. Den hatte ich aus einer Atelierauflösung, eine wirklich tolle Qualität.

Eine schöne Adventszeit, herzliche Grüße

Anja

Dienstag, 28. November 2023

Textil- und Nähreise Toskana - Teil 5 - ZicnZac/Burdastyle Nähkurs

Mittwochs bin ich dann von Prato nach San Casciano weiter gefahren. Ich hatte mich bereits im Frühjahr für die Nähreise angemeldet und relativ bald auch eine Bestätigung bekommen, dass genug Teilnehmer zusammen kommen und der Termin stattfindet. Dadurch hatte ich die Möglichkeit, früh einen günstigen Flug zu buchen. Mit dem Hund nehmen wir immer den Nachtzug über München nach Italien, aber diesmal wollte ich Zeit sparen. 

Die maximale Teilnehmerzahl liegt bei 8, diese Gruppengröße fand ich auch perfekt, damit jeder die Möglichkeit hat, sich bei der Kursleitung Beratung zu holen und man sich untereinander gut kennen lernt. Die Teilnehmerinnen waren alle in meinem Alter (bisher haben ein oder zwei Mal unter 30jährige teilgenommen, Männer noch nie), hatten unterschiedliche Näherfahrung, von fast Anfänger über Wiedereinsteiger bis hin zu nahezu Profi. Insofern divergierten auch die Projekte, die jede sich vorgenommen hatte. Drei Teilnehmerinnen hatten ihre Partner dabei, die die Tage mit Fotografieren, Kochkurs, Toskanabesichtigungen verbracht haben und manchmal zum Abendessen in unterschiedlicher Konstellation zur Gruppe stießen.

Das ganze Equipment ist im hellen und ausreichend großen Kursraum vorhanden (am letzten Tag habe ich noch aus einem frisch gekauften Stoff mit Schneiderwinkel, Bogenlineal und Kreide den "Kimono" konstruiert, das ist definitv einfacher als mit normalem Lineal und Geodreieck). Ich habe also nur meine Stoffe (in meinem Fall vorher zugeschnitten, es gibt aber tolle höhenverstellbare Zuschneidetische), mein Garn und die D-Ringe mitgebracht. Untergebracht war ich mit 5 anderen Teilnehmerinnen in einem kleinen Hotel, quasi um die Ecke, aber in San Casciano sind die Entfernungen nie weit. Zwei Paare hatten sich für Appartments entschieden. Im Hotel gab es auch eine Lounge und eine kleine Teeküche.

Der Nähraum grenzt an einen alten Wachturm, San Casciano ist eine typisch italienische Kleinstadt, in der es alles gibt, auch Konzerte, Kino, mehrere Restaurants, Bars,  Läden, Spazierwege und, was ich wiederum schätze, nahezu keinen Tourismus (ich war im November, aber angeblich verlaufen sich auch in anderen Jahreszeiten selten Touristen dorthin), denn andere Orte in der Umgebung sind bekannter. Außerdem eine gute Busanbindung nach Florenz und schlechtere Busanbindung Richtung Greve/Poggibonsi. Ich bin nur jeweils vor und nach dem Aufenthalt einen Tag in Florenz gewesen. Finde es aber ziemlich gut, dass die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln einfach möglich ist.



Ich habe in der Woche gemerkt, dass ich doch bereits auf einem hohen Niveau nähe und nicht soviel Hilfe brauche. Irgendwie wurschtele ich mich letztendlich immer gut mit Anleitungen, Videos usw. durch. An meinem mir bekannten grundsätzlichen "Problem", ich neige nicht zum Perfektionismus und finde es nicht schlimm, wenn eine Naht schief ist und das Innenleben des Kleidungsstücks nur so lala aussieht, arbeite ich inzwischen nicht mehr, ich habe akzeptiert, dass ich schnell nähe, aber nicht so perfekt wie Andere. Ich möchte etwas Schönes, Besonderes, Tragbares nähen und das funktioniert inzwischen gut.

Mein größtes Problem war die ungewohnte Nähmaschine. Erst am vorletzten Tag konnte ich alleine sicher Faden aufspulen und Garn einfädeln. Die Maschine war sehr leise, aber auch viel langsamer (selbst in der schnellsten Einstellung) als meine alte Privileg aus den70er Jahren zuhause. Rückwärtsnähen war nervig, ich musste höllisch aufpassen, die Taste korrekt zu drücken, aber irgendwann klappte es dann auch. Vorausschauend habe ich an Tag 1 einen einfachen Strickrolli genäht, um mich an die Maschine zu gewöhnen. Das danach entstandene Cividini Seidenkleid ist bereits verbloggt, ich habe lediglich den Rollsaum zu Hause genäht, weil es kein Nähfüßchen dafür gab. Ich bin auch froh, dass ich nicht das Leder für den Rock mitgenommen habe, bin mir nicht sicher, ob die Maschine dafür geeignet gewesen wäre. Meine näht ja sehr zuverlässig absolut alles, auch viele Lagen übereinander.

Ich habe gegen Ende des Kurses auch ein Skiunterhemd aus Merino auf einer Overlock genäht, das sieht erstmal total professionell aus, zum Versäubern stelle ich mir so eine Maschine auch super vor. Aber letztendlich komme ich doch gut ohne zurecht. Zumindest hatte ich im Kurs die Gelegenheit, eine derartige Maschinen auszuprobieren.

Es gab auch anderes Equipment zum Ausprobierten: besondere besser haftende Stecknadeln, ziemlich cool, die anderen dort üblichen Stecknadeln mit kleinem Metallkopf wie bei meiner Mutter fand ich schwieriger in der Handhabung als die mit dem Plastikkopf.

Offiziell ging der Kurs von 9 bis 14 Uhr, aber die Teilnehmerinnen haben sich Schlüssel für den Raum geteilt, so dass es möglich war, mittags (bei wärmendem Sonnenschein) eine längere Pause zu machen (ich bin zwei Mal wandern gegangen) und am Nachmittag weiter zu arbeiten. Abends sind wir immer in unterschiedlicher Konstellation essen gegangen. Die Gastronomie in San Casciano ist der Knüller (preisgünstig noch dazu). Theoretisch wäre es auch möglich, nach Florenz zu fahren, allerdings braucht der Bus im dichten Verkehr meist länger als der Fahrplan sagt und fährt nicht direkt ins Zentrum. San Casciano bietet aus meiner Sicht genug, um dort 4 Tage zu verbringen.


Hier ein Einblick in das Städtchen, im November sind die Nächte kühl, mittags kann es aber sommerlich warm werden (vor 1! Woche habe ich meine Pizza noch draußen in der Sonne gegessen, diesen Blogpost schreibe ich bei gruseligem Schneeregen draußen):

Und die direkte Umgebung, typisch Toskana, Frühnebel inklusive. Bei uns sind die Blätter am Wein schon abgefallen, hier noch gelbgrün, außerdem konnte man die Olivenernte beobachten:
Die ganze Reise, ich war 5 Tage alleine unterwegs und dann 5 Tage beim Nähen, hat mir total viel Spaß gemacht, ein wundervoller Urlaub. Mir gefiel es besser als die AnNäherung, bei der ich letzten November war, wo ich nur genäht habe und nach 2,5 Tagen erledigt nach Hause kam. Natürlich liegt es an jedem selbst, was man macht, aber wenn alle ständig bis in die Nacht nähen und das Essen in Kantinenform eingenommen wird, ist weniger Zeit/Freizeit für Kennenlernen und Austausch, zumal die Gruppengröße höher lag. Die Transportthematik ist natürlich auch ein Punkt. Jetzt komme ich mit den Nähmaschinen in San Casciano zurecht, ich kann mir gut vorstellen, dort nochmal Urlaub zu machen.

Viele Grüße, Anja


Montag, 27. November 2023

Textil- und Nähreise Toskana - Teil 4 - Stoffläden und andere Geschäfte



Von einigen Nähfreundinnen hatte ich gehört, dass man in Prato ganz toll (hochwertig und günstig) Stoff kaufen kann. Außerdem habe ich einmal in Instagram eine Story einer Stoffhändlerin gesehen, die mehrere Tage in der Region unterwegs war, um dort wirklich tolle Designer Deadstock Stoffe zu ergattern.

Mein Ziel war es nicht, besonders viel zu kaufen (vielleicht bin ich unterbewusst deshalb mit 8 kg Handgepäck und einem annähernd leeren kleinen Rucksack als zweitem Handgepäckstück nach Florenz geflogen. Aber mich interessierte, was es gibt, wie die Preise sind, ob es sich lohnt, dort zwischen zu stoppen und etwas zu suchen. Von meinen Reisen nach Italien habe ich bisher immer irgendein wunderbares Tuch, das ich hier nicht im Laden gefunden hätte, mitgebracht.

Ich wollte in Prato nicht mit dem Bus herum fahren und habe mir deswegen, mehrere Stoffläden in Innenstadt-/Bahnhofs-/Airbnbnähe gesucht. Da die Stadt übersichtlich ist und man schön zu Fuß gehen kann, gab es auch genug Adressen, die sich auf google maps finden, wenn man tessuti Prato eingibt und die Karte entsprechend vergrößert. Üblicherweise haben alle Geschäfte eine lange Mittagspause.

Gleich am ersten Abend bin ich bei Glamour hinein gestolpert. Eine Art Riesengarage für LKW, vollgestopft mit Stoff. Direkt an den Kisten (Foto oben) hingen Schilder Marc Jacobs, Yves Saint Laurent, Dior usw., die Stoffe sprachen mich optisch nicht an. Weiter hinten in der Garage hockte eine junge Frau (auf einem Sofa schlief ein junger Mann, der im Verlauf durch unser Gespräch aufgeweckt wurde). Da ich nichts Bestimmtes suchte, meinte die junge Frau, es sei schwierig, herum zu laufen, sie ist Grossista/Großhändler und wenn Einzelkunden kommen, dann zeigen sie ihr ein Modell aus einer Zeitschrift und sie sucht den passenden Stoff. Die Kunden gehen dann üblicherweise zu einem Schneider. Auf Hobbynäher ist man nicht eingestellt. Wir haben uns bestimmt 45 Minuten sehr nett über die Möglichkeiten Stoff in Deutschland und Italien zu kaufen unterhalten, wie der Laden funktioniert, wer als Kunde kommt, sie war auch sehr interessiert, was es in Deutschland gibt und wie Großhändler und die Webereien/Textilindustrie dort arbeiten. Ich meinte, dass es bei uns nahezu keine Textilindustrie mehr gibt, konnte aber nicht viel mehr dazu sagen. Sie bot mir auch an, einige Modezeitschriften durchzublättern, um Inspirationen zu bekommen, aber das war ja nicht mein Ziel. Ich wollte dann auch irgendwann weiter, wir hätten noch endlos reden können, da sie sowieso nichts zu tun hatte, und habe mich verabschiedet. Ich wusste nach dem Gespräch aber, dass es nicht so ist wie auf einem Stoffmarkt in Deutschland, wo man einfach herumläuft und alles anguckt/anfasst. Etliche Rollen in den hohen Regalen waren verhüllt oder in Plastikfolie eingeschweißt. Verkauf an Nicht-Einzelhändler ist schon theoretisch möglich, in Italien ist immer noch vieles möglich, was an der Steuer vorbei geht (eine Teilnehmerin aus Bozen aus meinem Nähkurs in der Folgewoche hat das nur bestätigt).

Am Abend und am nächsten Vormittag war ich noch in 3 weiteren Stoffläden, habe mir auch einen Rest grob gewebte Wolle mit Fransen und einen Boucle für eine Hose angelehnt an die Chanelhosen der Metiers d'Art Kollektion 2022 gekauft, damit schien mein Koffervolumen ausgereizt. Weitere Händler habe ich in Prato erstmal nicht besucht, es gab dort auch genug anderes zu tun. 

Gemeinsam mit Sophie Springer, die unseren Nähkurs geleitet hat (dazu berichte ich noch), sind wir am Ende der Woche zu einem weiteren Grossista in Calenzano Nähe Prato gefahren. Auf dem Weg lag Intrend, das Max Mara Outlet, in dem es ebenfalls Stoffe gibt. Hat mir extrem gut gefallen, ich bin sehr fündig geworden und habe mich schon gefragt, wie ich die Stoffe nach Hause bringe. Notfalls alles übereinander hängen als Schal. Im Vergleich zu den Grossista alles hohe Qualität, d.h. auch beschriftet hinsichtlich der Zusammensetzung, mit einem Preis ausgezeichnet, in Mengen zugeschnitten, die gut für Kleidungsstücke reichen, viel, aber nicht zuviel, preislich vergleichbar mit The Fabric Sales, also in jedem Fall günstiger als im Ladengeschäft in Deutschland. Es lohnt sich, vorbei zu fahren.


Bei dem Grossista habe ich nicht mehr gekauft, weil ich wirklich genug hatte. Hier eine noch riesigere Lagerhalle (mit Hochregallager) als in Prato (das war ja in der Innenstadt), neue Stoff waren noch draußen und nicht eingeräumt. Auf den ersten Blick ein unglaubliches Durcheinander, dazwischen Antiquitäten und asiatischer Krimskrams. Wir waren angemeldet und uns wurde grob erklärt, was wir wo finden. Es gab wunderbare Minotti Sofastoffe, aber da muss man vermutlich mit einem Kleintransporter vorfahren. Meine BegleiterInnen haben kräftig eingekauft. Ab 5 m gab es Rabatte, das Auswählen und Zuschneiden bei 7 Personen hat lange gedauert, aber es war schon interessant, sich in den Hallen umzuschauen. Die Schätze liegen irgendwo unter den Stoffballen, die manchmal fleckig, verstaubt, schadhaft waren, versteckt. Nicht so einfach, etwas zu finden, die Atmosphäre auf den ersten Blick eher ramschig. Es brauchte auch Armkraft, die Rollen anzuheben. Wolltuch, Hemdenbaumwolle, Flanell gab es für 3 - 4 Euro/Meter, es gab raffiniert neon gefärbten Echtpelz und Lederreste in Kisten (25 Euro für Stücke, aus denen man schon Einiges hätte machen können), Strickstoffe (Baumwolle/Elasthan, die Zusammensetzung konnte man erfragen) 3 - 4 Euro/Meter, Taffetta 12 Euro/Meter - also wirklich günstige Preise (obendrauf kam am Ende noch die 22% Mehrwertsteuer). Bis alles abgerechnet war, dauerte es auch. Auf jeden Fall war das ein Erlebnis, aber gleichzeitig auch eine Überforderung. Ohne etwas Konkretes im Kopf zu haben oder einen Kleintransporter gibt es keinen Sinn, hier einzukaufen.
In Prato wollte ich aber nicht nur Stoffläden besuchen, sondern mich auch mit der textilen Gegenwart beschäftigen. Dafür bin ich zu Lottozero und Rifó gegangen. Rifó bietet an einigen Samstagen im Jahr auch Touren an, wo die Fabriken besichtigt werden. Leider passte der Termin nicht in mein Programm, aber ich komme sicher nochmal nach Prato. Lottozero ist ein Workspace, wo man sich auch stunden- oder tageweise einmieten kann (oder auch mit einem Stipendium länger werkeln kann): es gibt alles: Strick- und Nähmaschinen unterschiedlicher Größe, Plotter, Webstühle unterschiedlicher Machart und Größe, Siebdruck, Färbebecken,  sehr spannend. Mehrere Designer werkelten an den großen Tischen. Die ehemalige Werkshalle war noch mit einem spinnennetzartigen Geflecht durchzogen, dass StudentInnen in der Woche zuvor gebastelt hatten, die Bibliothek randvoll mit tollen Büchern, eine sehr inspirierende Arbeitsumgebung. Eine junge Frau hat mich spontan herum geführt (Foto unten links bzw. im Web). Man ist nicht in erster Linie auf Besucher eingestellt, aber doch spontan offen, alles zu zeigen.


Im Anschluss war ich noch bei Rifo, weil das am Weg lag. Eigentlich ein Geschäft, das aus wiederverwerteter Wolle, Kaschmir und Jeans Mode verkauft. Ein Verkauf von Web- und Strickmeterware an Endkunden existiert bisher leider nicht. Es wird aber viel nach Deutschland geliefert, ob dort auch Stoff verkauft wird, wusste die Dame leider nicht. Die Materialien fühlten sich super an, die Designs waren raffiniert. Sammelboxen und Verkaufspoints der fertigen Stücke gibt es auch in Deutschland, was die unterschiedlich farbigen Fähnchen auf der Landkarte letztendlich bedeuten, konnten wir im Laden auch nicht klären. Einige sind einfach Sammelboxen, vielleicht beschäftige ich mich irgendwann nochmal genauer mit der Seite. 

Die Freundin meiner Tochter, die mich für den Aufenthalt in Prato inspiriert hat, war auf ihrer Studienfahrt noch bei Manteco. Das liegt etwas außerhalb, zwar mit der Bahn erreichbar, aber ich hätte mich vermutlich anmelden müssen, um einen Blick in das Stoffarchiv werfen zu können. Beim nächsten Mal.

Hier noch meine Stoffschätze als Collage, erheblich mehr als ich geplant hatte, aber nichts, was ich in Frankfurt bekommen könnte, teils (Stoff, in diesem Fall Seide, mit grafischen Mustern) habe ich schon lange ähnliche Stoffe gesucht, der Boucle wird dann die Hose, für die der Stoff aus Paris nicht gereicht hat, den Mantelstoff (10 % Kaschmir, 90 % Lana Vergine) hätte ich nicht gebraucht, aber im Laden hing ein fertiger Mantel aus dem Stoff, der mir sehr gut stand, da konnte ich irgendwie nicht "Nein" sagen:


Viele Grüße aus Frankfurt, Anja
 

Sonntag, 26. November 2023

Textil- und Nähreise Toskana - Teil 3 - Textilmuseum Prato

Ich plante schon sehr lange, einmal nach Prato zu fahren. Bisher bin ich immer nur durchgefahren. Zu nah liegt Prato an Florenz, weswegen ich doch lieber dorthin gereist bin. Aber seit ich mich für Textiles und Stoffe interessiere, ist Prato auf meiner Reiseliste weit nach oben gerutscht. Ich wusste von Frau H. aus E. (Blog leider nicht mehr auffindbar), dass es ein lohnenswertes Museum gibt und sah bei Instagram, dass zahlreiche StoffverkäuferInnen ihre Deadstock (Designer-) Stoffe in den Hallen in Prato kaufen. Das Museum ist in der ehemaligen Textilfabrik Campolmi untergebracht. Es gibt auch einen Rundgang zu den alten Fabriken, die teils verfallen, teils aufwändig restauriert sind.

Wenn man hier in Deutschland Prato googelt, findet man einen Wikipediaeintrag, der nicht mehr aktuell ist. Es leben zwar weiterhin 60.000 Chinesen in Prato und es gibt eine riesige Chinatown, aber die Arbeitsverhältnisse haben sich geändert. Verhältnisse wie in Bangladesch mag es noch teilweise geben (sonst würden auf den italienischen Wochenmärkten nicht haufenweise günstige Klamotten "Made in Italy" verkauft) aber die Kontrollen sind auch in Italien gestiegen. Außerdem versucht Prato sein Image von Billig- und Massenware hin zu Nachhaltigkeit zu verändern. In der FAZ stand dazu etwas. Einzelne Unternehmen haben die Krise in den 70er Jahren überstanden, andere sind als Start-Ups im Textilbereich neu dazu gekommen. Leider habe ich überwiegend italienische Texte zu dem Thema gefunden. Im Textilmuseum kann man dafür perfekt auch auf Englisch in die lange und bewegende Geschichte der Textilindustrie in Prato eintauchen.

Gezeigt werden alte Webstühle, Drehspindeln, Blechschilder aus den Fabriken, Fotos zu den Arbeitsbedingungen, alte Messehefte mit Stoffmustern usw. In einem Schrank konnte man feste, schwere und dicke Wintermäntel aus Tweed aus den boomenden 50er Jahren anziehen, um ein Gefühl für das Material zu bekommen. Diese Qualität kenne ich heute nicht mehr. Hier ein Einblick in die historische Etage:

Man lief dann weiter ins 20. Jahrhundert, ein Film wurde gezeigt, die Veränderungen, die die Globalisierung mit sich brachte, thematisiert. Der Niedergang mit Arbeitsplatzverlusten in den 70er Jahre, die Übernahme der Nähereien durch die Chinesen und die neueren Versuche, wieder mehr Qualität in die Stadt zu bringen sowie den Nachhaltigkeitgedanken in der Mode in den Fokus zu rücken. Dazu lief auch gerade eine Studentinnengruppe durch das Museum, die einen Sustainability Vortrag bekamen, in den ich kurz reinhörte. Nichts Neues.

Sehr faszinierend fand ich die Ausstellung zu den Materialien im Erdgeschoß. Sämtliche Rohstoffe für Stoffe, natürliche wie künstliche, wurden als Vorprodukt, Zwischenprodukt und fertiges Stoffstück gezeigt. Zum Anfassen und Fühlen, in den Kriegsjahren wurde in Italien viel mit Mais, Hanf, Leinen, Milch experimentiert, um Textilien zu weben, sehr interessant: 



Neben den Naturprodukten wurden auch die chemischen Prozesse erklärt. Nicht zu vergessen: Textile Erzeugnisse für den Bau, Dämmmaterial, Schuhe, was es nicht alles gibt. Färbeprozesse früher und heute, die Nachbearbeitung des Materials, soviele Arbeitsschritte bis der Stoff im Laden bzw. beim Schneider liegt.
Eine Sonderausstellung beschäftigte sich mit der Mode im 19. und 20. Jahrhunderts, nichts Neues, aber eine schöne Wiederauffrischung, jeweils auch Stoffbeispiele, die mir in Italien ziemlich aufwändig für die Zeit im Vergleich zu Deutschland erschienen.



Die zweite Sonderausstellung war dem Kimono gewidmet. Dazu habe ich keinen Bezug, ich war aber von der Farben- und Mustervielfalt völlig erschlagen. Den Schnitt eines Kimonos habe ich dann auch am letzten Tag des Nähkurses verwendet, um eine Jacke zu nähen.



Richtung Ausgang noch eine Wand mit verschiedenen Textilien, alles zum Befühlen.


Dieses Souvenirtaschentücher aus den 50er oder 60er Jahren fand ich sehr schön. Ich glaube, im Schrank meiner Mutter befindet sich sowas aus Österreich und ich erinnere mich an Kindertaschentücher mit ähnlichem Aufdruck. Wo die wohl geblieben sind?


Wenn ihr in der Toskana seid, solltet ihr euch dieses Museum nicht entgehen lassen. Montags geschlossen und im Winter schließt es nachmittags schon um 15 Uhr, was ich nicht auf dem Schirm hatte, aber ich war ja mehrere Tage in Prato (und werde dort sicher nochmal hinfahren, schon wegen der fehlenden Touristen und der ebenfalls tollen Innenstadt, direkt angrenzend gibt es außerdem Wanderberge). Zu weiteren textilen Erlebnissen in Prato berichte ich im nächsten Post. Eine Freundin meiner Tochter studiert in Berlin Fashion Design und hat im Februar eine Studienfahrt dorthin unternommen und mir einige Adressen zukommen lassen.

Viele Grüße, Anja

Samstag, 25. November 2023

Cividini Seidenkleid aus Burdastyle

Lange habe ich hin- und herüberlegt, welche Nähprojekte ich mit zur Burdastyle Nähreise nehme, irgendwie habe ich derzeit keine besonders herausragenden, aufwändigen oder anspruchsvollen Dinge in meiner Pipeline. Aber es gab noch Stoff im Schrank, der bereits verplant war. Zum Beispiel die Seide von Haider Akermann über The Fabric Sales, dafür hatte ich im Frühsommer bereits ein Probekleid genäht. Beim Problekleid habe ich die Pattentaschen mit Hilfe eines Videos geschafft, die Burda Anleitung war für mich komplett unverständlich. Ein Anlass, das Kleid beim Burdastylekurs zu nähen, obwohl es sich um ein Sommerkleid handelt. Aber mit diesem roten Überkleid geht es auch im Herbst. So gehe ich heute Nachmittag zum italienischen Filmfestival.

Zuschnitt und Versäubern erledigte ich bereits vorab, so dass ich in der Toskana nur noch die Teile zuammen nähen musste. Das ging schnell, so schnell, dass ich vor der Taschenfrage stand, als gerade keine Workshopleitung da war (wir konnten den Nähraum auch außerhalb der Workshopzeiten nutzen). Ich habe dann - um nicht allzu viel Leerlauf oder mit etwas anderem anfangen zu müssen - entschieden, Seitennahttaschen einzunähen. Optisch sieht man die Pattentaschen im Probekleid sowieso quasi nicht.


Ich bin mit dem nicht ganz fertigen Kleid zurück gekommen, weil ich einen Rollsaum machen wollte, die Nähmaschinen im Kurs hatten kein Spezialfüßchen dafür. Meine Alternative: ein handgenähter Rollsaum vor Ort, das Angebot habe ich dankend abgelehnt. Zu dem Kurs mache ich noch einen Extra Post. Die Details kann man auf den Fotos schlecht erkennen, die technische Zeichnung findet ihr beim Probekleid.


Im Moment gefällt mir mein Probekleid aus der schwerer fallenden Baumwolle fast besser, aber das kann auch mit Farbe und Jahreszeit zusammen hängen. Erstmal kommt das Kleid in die Sommerkiste.

Zusammenfassung:

Zeitaufwand: Zuschnitt ca. 3-4 Stunden, der Schnitt war bereits abgepaust, es handelt sich um Crepe, der nicht so stark verrutscht wie Satin. Außerdem gewinne ich doch langsam Routine mit Seide.

Kosten: ca. 70 Euro, einschließlich D-Ringen für den Gürtel.

Schwierigkeitsgrad: da es sich um ein bereits genähtes Kleid handelte, gering. Die Seide ließ sich super vernähen, das einzig Schwierige, die Pattentasche, habe ich weg gelassen.

Auf bald, Anja

Donnerstag, 23. November 2023

Textil- und Nähreise Toskana - Teil 2 - Gucci Garden

Bereits in Deutschland habe ich mich vorab informiert und wusste, dass das ehemalige Gucci Museum an der Piazza Signoria umgebaut worden ist und nun Gucci Garden heißt (mit angeschlossener Boutique, Trattoria, Cafe usw.). Außerdem hat es jeden Tag geöffnet, was an einem verregneten Montag eine hilfreiche Information ist. Hier kann man übrigens einen virtuellen Rundgang machen (mit Audioguide, deswegen verzichte ich in diesem Blogbeitrag auf weitere Fotos), in der Verlinkung befindet ihr euch bereits in den Gucci Visions, dann kann man in den 1. und 2. Stock weiter gehen und sich die Exponate in den einzelnen Räumen anschauen. Fotos der Boutique , die sich im Erdgeschoß des Palazzo befindet, sind hier. Aus meiner Sicht bietet der echte Rundgang vor Ort keinen Mehrwert, wenn man von dem Bambusgeruch im Bamboo Raum, dem Blütenduft im Flora Raum und der permanenten Musikbeschallung und Videoscreenwechseln vor Ort absieht. 

Wenn man allerdings Selfies machen will, ist man im Gucci Garden richtig, denn etliche Räume sind verspiegelt, von oben, unten, Seite, in einem Gang war ich froh, eine Hose zu tragen. Ohne Audioguide ist man im Gucci Garden verloren, denn schriftliche Erklärungen gibt es nur wenige und manchmal schlecht lesbar (weiße Schrift auf Spiegel) und auch das Aufsichtspersonal kann einem bei Fragen nicht weiterhelfen. Ich gehöre nicht zur Stammkundschaft von Gucci und mir waren die ikonischen Taschen mit ihren Begriffen unbekannt. Aber damit war ich die Ausnahme. Ich bewegte mich unter jungen AsiatInnen und Rapper Boys, die vor allem sich selbst fotografierten (o.k., vielleicht übertreibe ich ein wenig).

Länger verweilt habe ich im Fashion Raum, in dem Kleidungsstücke aus den Anfängen denen der heutigen Kreativdirektoren gegenüber gestellt wurden. Man sah, dass eigentlich alles beim Alten geblieben ist. Insofern bleibt das Haus seiner Historie treu. Ich war ein wenig entsetzt über die mangelnde Musteranpassung an manchen Kleidungsstücken unten auf dem Foto, da versuchen wir Hobbyschneiderinnen uns ja mehr Mühe zu geben. 

Der ganze Kram mit den Logos und den Pferdegebissen ist mir sowieso suspekt. Warum laufen Menschen bitteschön als wandelnde Litfasssäule herum? Die Anfänge des Unternehmens sind anerkennenswert und irgendwie ähneln sich die Geschichten der Personen, deren Namen gut 100 Jahre später teure Marken repräsentieren. Vielleicht habe ich in 2023 auch eine Überdosis an Firmenmuseen gehabt?




Hier sind die ikonischen Taschen, leider alles so verspiegelt und soviele und so in die Höhe gebaut, dass man sich mit den Einzelstücken kaum beschäftigen konnte, aber das steht wohl auch nicht im Vordergrund. Ein bisschen hat mich der Gucci Garden mit seinen Effekten und Experiences an das Dior Museum in Paris erinnert, aber viel kleiner und viel weniger informativ. Für einen Einblick und ein Gefühl für die Marke reicht es. Man muss sein Ticket wenigstens nicht vorab lösen und/oder Schlange stehen. Hingegen war das Louis Vuitton Dream in Paris (das nicht mal Eintritt kostete) um Längen interessanter (bei ähnlicher Besucherstruktur wie Gucci). Wo ich gerade darüber schreibe, kommt mir der Vergleich mit Schwimmbädern, es gibt die, in denen man schwimmen kann, und die, in den man Spaß haben soll, aber oft nicht mehr schwimmen kann. Ich gehöre eindeutig zur Fraktion Schwimmer.

Im Museumsshop, also der Boutique, wurde ich sofort von einer jungen Frau begleitet, deren Sprache und Verhalten auf mich allerdings aufgesetzt und "unecht" wirkte, sie lobte in einer Tour die Besonderheiten der einzelnen Stücke, ich fühlte mich nicht wohl und wäre lieber alleine herumgeschlendert, das war allerdings nicht vorgesehen. Aber immerhin habe ich mir einige der nur in diesem Shop erhältlichen Stücke genauer angeschaut. Das Material fühlt sich schon toll an und die Verarbeitung einer unterfütterten Hose konnte sich sehen lassen (für eine ähnliche Hose hatte ich den Stoff in meinem Gepäck, das die jungen Männer etwas missmutig hinter ihren Tresen stellten, eine Garderobe gab es nämlich nicht im Gucci Garden).

Soweit meine persönlichen Erfahrungen. Ich war da und froh, im Trockenen gewesen zu sein, bevor ich weiter gefahren bin.

Grüße, Anja

Mittwoch, 22. November 2023

Textil- und Nähreise Toskana - Teil 1 - Ferragamo Museum

Nach einer Window Shopping Runde in der Via Tornabuoni, dem Pendant zu unserer Frankfurter Goethestraße, inspizierte ich an einem verregneten Montagmorgen den Eingang des Ferragamo Museums in Florenz und siehe da, es hatte geöffnet. Der Empfang war sehr freundlich, ich hatte reichlich nasses Gepäck und ein nasses Regencape bei mir, das alles irgendwo untergebracht werden konnte. Ich schreibe das, weil es mir im nächsten Museum an diesem verregneten Tag ganz anders erging und ich das Gefühl hatte, mit meinen Sachen fehl am Platze zu sein und von oben herab behandelt zu werden.

Salvatore Ferragamo, der sein Leben in Shoemaker of Dreams (die Biografie wurde ebenfalls verfilmt) beschreibt, hat den Palazzo Spini, in dem das Museum und das Ladengeschäft sind, erst gemietet und später, als er genug Geld hatte, gekauft. Es finden Sonderausstellungen statt, diese geht noch bis zum November 2024.

Mich haben die Schuhe in der Ausstellung sehr beeindruckt, einen Großteil würde ich heute noch anziehen, obwohl die Modelle teils 90, 80 oder 70 Jahre alt waren. Besonderen Wert hat Ferragamo auf Passform und Bequemlichkeit gelegt, weswegen seine Schuhe sehr erfolgreich waren, er weiter expandieren konnte und nach Jahren in den USA in sein Heimatland zurückkehren konnte.

Neben der Passform (seine orthopädische Bibliothek wurde ebenfalls gezeigt) waren ihm auch ästhetische und künstlerische Aspekte wichtig. Er kreierte immer neue Modelle, experimentierte mit Form, Farbe, Material und schuf so besondere Modelle, die in Hollywood, wo er sein erstes Ladengeschäft eröffnete, schnell Anhänger fanden. Viele Schuhe aus diesen ersten Jahren, wo die Filmindustrie ihren Anfang nahm, sind in der Ausstellung gezeigt, erstaunlich gut erhalten im Übrigen. Die Größen jedoch winzig. Frauen heute leben auf deutlich größerem Fuß.

Die Ausstellung ist in mehrere Abschnitte untergliedert, in einem Raum wurden Schuhe gezeigt, die von Gemälden inspiriert worden sind. In der Ausstellung waren diese jeweils gegenübergestellt, was mir gut gefallen hat, unten Delaunay und Schwitters. 

Ferragamo hat mit Absatzformen experimentiert, Schönheit, Eleganz und Bequemlichkeit sollten sich nicht ausschließen. Er war der Erfinder des flexiblen Keilabsatzes. Des Weiteren hat er neben Leder (damals natürlich auch Krokodil und Fell im Winter) viele unübliche Materialien verwendet, unten z. B. Fischhaut. Verschiedene Färbemethoden wurden auch erklärt.
r hat auch - insbesondere in den Jahren der Wirtschaftskrise - mit Materialien, die in der Natur vorkamen, gearbeitet: Kork, Hanf, Bast, vor allem die Sommermodelle waren oft aufwändig geflochten, wunderschön. Insofern kann man sagen, dass Ferragamo schon in den 30er und 40er Jahren mit nachwachsenden Rohstoffen produziert hat. An diesem Schuh unten sah der Absatz aus, als ob einfach 4 Weinkorken den Absatz bildeten, vielleicht war das so, der Schuh war von 1942.


Den Schuh unten in der Mitte mit dem Schiffsmotiv hat Ferragamo im Zuge seiner Auswanderung kreiert. Er ist mit 16 nach seiner Schumacherausbildung seinem Bruder in die USA gefolgt - damals mit einem Segelschiff.


Werbeplakate, Zeichnungen, Fotos von Schauspielerinnen oder aus Filmszenen und der dazu passende Schuh, Leisten von Garbo, Monroe, Hepburn, Filme, wie in den Ateliers Schuhe hergestellt werden, besondere Einzelstücke (Schuh aus Echtgold) usw. ergänzten die Ausstellung.







Als Ferragamo, der sehr jung in die USA auswanderte, nach Italien zurück kehrte, schenkte er seiner zukünftigen Frau zur Verlobung den o.g. Schuh.

Ein ganz wunderbares Museum, eine umfangreiche, gut kuratierte, informative, übersichtliche Ausstellung. Alle Texte in Englisch und Italienisch, ausgezeichnete Lichtverhältnisse (manchmal ist es ja sehr dunkel in textilen Ausstellungen, aber alle Schuhe waren perfekt ausgeleuchtet), keine Überfüllung, keine Warteschleifen. Ein Genuss.

In der Nachbereitung würde ich gerne das Buch lesen oder den Film sehen, mal schauen, was daraus wird.

Auf bald, Anja